© Fischer- und Schifferverein Klingenberg e.V.
Der Karlegroß
Das Haus neben dem Lebensmittelladen Karbacher
stadteinwärts in der Wilhelmstraße, das war das Haus vom
Karlegroß. Wirklich groß und schlacksig kam er daher. Laut
und mit grobschlächtigen Manieren.
Karl Ebert, Fischer, verheiratet mit Emma, kinderlos.
Es gibt in Klingenberg bei den Eberten die Hoffischer, die
feinen Eberten und die schuppigen Eberten. Zu letzteren
gehörte er. Man sagt, die waren einst als Flößer von
Kronach nach Klingenberg gekommen.
Wie Flößer so sind, zeigt eine kleine Episode aus der
Schifferschule. Flößer - damals noch ein Lehrberuf -
mussten wegen der Berufsschulpflicht in Würzburg die
Schifferschule besuchen. Bei einer Klassenarbeit schrieb da
einer auf seinen Zettel für den Lehrer: „Habe von dann bis
dann Kopfweh gehabt, mach es selbst."
Aber schiffig war er, der Karlegroß, wie halt Flößer und die
schuppigen Eberte so sind. Deshalb wurde er gelegentlich
auch schon mal als Hilfsmann auf der ..Mainperle"
angeheuert, wenn da gerade mal der Matrose weggelaufen
war. So kam es, dass ich vorne das Logis zeitweise mit ihm
zu teilen hatte. Der Karlegroß war an Bord fast für alles zu
gebrauchen. Groß und stark war er, in gewisser Weise auch
katzenhaft behend, ohne Scheu vor Wetter, Wasser und
Dreck. Für die Bedienung und Wartung des Motors in der
Schlupp war er nicht geeignet, auch für feine Lackfarben
war er nicht zu gebrauchen, wohl aber am liegenden Haspel,
am Schorbaum, zum Roststoßen, im Laderaum unter der
Strau, für das Aufschmieren von Braunteer und Kohlteer.
Einmal hat er das Bordfahrrad der .„Mainperle" komplett
mit Kohlteer angestrichen, auch die Speichen, weil das so
schön glänzt. (Klar, solange es frisch ist).
Als die „Mainperle" wieder nach Klingenberg kam war das
erste, was er seine Frau fragt: „Na, Emma, wer is dann all
gestorwe..." Nein, zart besaitet war er nicht.
Derb und ungehobelt war er, streitsüchtig und laut auch auf
den Versammlungen des Fischervereins. Der Fischerverein
hatte damals bei den Klingenbergern den Namen
„Krischer"verein, weil man das Geschrei von den
Mitgliederversammlungen im „Bären" bis rauf zur „Krone"
hören konnte.
Einmal brüllte der Karlegroß wütend - weswegen auch
immer - einen Zunftbruder an: „Du fährst morsche früh net
in die Fisch!!!" Er soll dann in der Nacht den Nachen seines
Kollegen im Oberwasser losgemacht haben und übers Wehr
habe treiben lassen.
Es gab damals viel Streit im Fischerverein, weil
Entschädigungsgelder der Rhein-Main-Donau AG für den
Schleusenbau endlich zur Auszahlungen kamen. Der
Vorsitzende damals war der Schmitte Karl. Der wollte die
Alten mitteilen lassen,
z. B. den Konstanz Heinrich, den Dabohr, den Mundes, den
Hahmche, den Karlunkel Baumgärtner. Deshalb wurde er ja
auch gewählt. Das sahen die aktiven Fischer anders und
wollten nur unter sich teilen. Der Streit eskalierte bis hin
zu vielen gerichtlichen Auseinandersetzungen ( Klagen
wegen Beleidigung, Amtsenthebung, Vereinsschädigung,
Veruntreuung und drgl.) hin und her und bis vor das
Oberlandesgericht in Bamberg. Auf einer Versammlung
brüllte der Karlegroß:
„Heit kümmt noch eener ins Krankehaus und eener ins
Zuchthaus". Will sagen, selbst wenn er ins Gefängnis muss,
würde er den Karl Schmitt krankenhausreif schlagen.
Der hatte sich für die nächste Sitzung dann eine
Schreckschusspistole beschafft, das aber auch nicht
verheimlicht. Dann kam die Polizei und hat sie ihm
abgenommen.
Ein großer Denker war der Karlegroß nicht, aber für seinen
Vorteil konnte er schon eine gewisse einfache Schläue
aufweisen.
Das Schiff der Arnolde, die „Veritas lag mal an der
Einladung und wie das so geht, gab es zwischen Schiff und
Wohnung immer viel zu transportieren. Hin und her mit
dem Leiterwägelchen. Kohle, Briketts, Hühnerfutter,
Sommer-/Winterklamotten, Kartoffeln, Gemüse,
Oppelwoi... Da passte dann mal ein kleiner Holzofen nicht
mehr auf den Wagen und der stand nun auf der Einladung
und wartete auf die nächste Tour.
Zufällig kam der Karlegroß mit seinem Handwägelchen
vom Garten vorbei und hat den Ofen einfach mitgenommen.
Er kam bis zur Brückenauffahrt, da kam ihm der Ludwig
Arnold - auch kein Schmächtiger - entgegen und stellte den
Karlegroß zur Rede, dass das sein Ofen da auf dem
Wägelchen sei. Der Karlegroß hat kleinlaut beschwichtigt,
er habe den Ofen ja nur mitgenommen, bevor er da rumsteht
und geklaut wird.
Der Karlegroß hatte kein besonders gutes Verhältnis zur
Jugend. Vielleicht auch, weil die bösen Buben ihn gerne mit
Schabernack ärgerten. Im Auslauf des Kraftwerkes, da wo
später der Leo Arnold seinen Aalschocker verankert hatte,
da hatte der Karlegroß ein kleines Holzfloß an der Treppe
hängen, an dem sein Fischernachen festgemacht war. Dieses
Flößchen gehörte natürlich auch zum Aktionsbereich der
Buben beim Baden. Es war ein grandioser Badespaß, in den
Wasserstrudel des Auslaufes zu springen und an dem
Flößchen wieder aufzutauchen. Das gefiel ihm gar nicht und
er vertrieb sie immer wieder mit lautstarken
Beschimpfungen und Drohungen. Aber die Buben wussten
sich zu wehren und taten, was sie dann in einem Spottlied
besangen:
(Nach einer Kakadu-Melodie)
„Hahahahaaaaha, Hahahahaaaaha lacht der fröhl'che
Kallegrouß, weil sem gschisse, weil sem gschisse uf soi
Flouß!"
Aber seine Rache war fürchterlich und kennzeichnend für
seine ruppige Art. Im Spielgeschehen mittags nach der
Schule, hatten einige Buben ihre Bücherranzen auf dem Floß
abgelegt und trieben sich am Mainufer herum. Der
Karlegroß nutzte die Gelegenheit und hat denen in den
Bücherranzen geschissen.
Das war der Karlegroß.