© Fischer- und Schifferverein Klingenberg e.V.
Klingenberger Schiffe
Klaus Schmitt 2017
Frühe Schifffahrt auf dem Main
Von einer Schifffahrt auf dem Main vor der Zeit der
Römer ist nichts bekannt.
Schiffe, die von den Römern eingesetzt wurden, waren
offenbar auch nicht; besonders nützlich für das was die
Besatzungsmacht brauchte. Der Main war ein schwieriger
Fluss, seicht und träge fließend, mit vielen
Krümmungen,) Inseln und geteilten flachen Flussarmen.
Bei starkem Regen und nach der!
Schneeschmelze ein reißendes Gewässer, in trockenen
Sommern ein schmales, flaches Rinnsal.
Dennoch war der Transport auf der Wasserstraße sinnvoll.
Kaiser Karl der;
Große ließ im Jahre 793 für den Transport von
Kriegsmaterial eine Verbindung zwischen den
Flusssystemen von Donau und Rhein einen Kanal;
graben, auf dem er Schiffe einsetzen wollte. In diesem
Flusssystem war natürlich auch der Main enthalten. Die
auf der ganzen Strecke einsetzbaren Schiffe mussten sehr
klein sein. Dennoch war diese Transportart leichter zu:
bewältigen als eine weite Fahrt mit Ochsenkarren. Es ist
auch aus dem Jahre 1152 überliefert, dass Kaiser
Barbarossa nach seiner Krönung in Frankfurt mit dem
Schiff zur Kaiserpfalz nach Sinzig am Rhein gefahren ist;
also die Wasserstraße hatte Bedeutung.
Die frühen Schiffe auf dem Main mussten seinen
Wasserverhältnissen angepasst sein. D. h. sie waren flach
gebaut, leicht, schlank wegen des Widerstandes beim
Treideln. Sie durften nicht teuer in der Anschaffung sein,
denn die Schiffer der ersten Zeit konnten nicht
ausschließlich von der Schifffahrt leben, sie mussten auch
noch ein anderes Einkommen haben, wenn die Schiffe
stillliegend die Unbilden des Flusses abwarten mussten.
Erste Schiffsbeschreibungen muss man aus bildlichen
Darstellungen ableiten.
Solche sind ab dem 17. Jahrhundert als Stiche für die
Vervielfältigung mittels des gerade erfundenen
Buchdrucks entstanden.
Auf dem Main war ein besonderer Schiffstyp geläufig,
der Mainschelch. Als Schelch bezeichnet man ein Schiff
mit ungedecktem Laderaum, einer Länge von 12 bis 20 m
und einer Tragfähigkeit von 2 bis 3 Tonnen. In Franken
ist der Begriff „Scheldek" aus dem germanischen
„scaltich" überliefert, ein Flussfahrzeug, ein kleiner Kahn.
Andere zu dieser Zeit auf dem Main gängige Schiffstypen
waren die kleineren „Marktschiffe" und die Schelche.
Neben den Schelchen waren auf dem Main auch die
Frankensauen üblich. Als Frankensau bezeichnet man
einen um die Wende zum 19. Jahrhundert auf dem Main
üblichen Schiffstyp. Dieser war um 37 m lang und 5,6 m
breit. Der Tiefgang betrug leer etwa 0,35 m und beladen
1,1 m.
Es gab verschiedene Untertypen: Ruderschelch,
Streichschelch, Nachtschelch, Waldschelch... am
bekanntesten ist der Hümpelschelch. Hümpel meint
Buckel, Haufen, Erhöhung, im Bayrischen eine Last, eine
Ladung. In alten Wörterbüchern wird Hümpelschelch als
schwerfälliger Kahn erklärt. Hümpel hat auch etwas zu
tun mit humpeln, mit schief oder krumm, auch mit
stumpf. Das lässt sich an der überlieferten Schiffsform
wiedererkennen.
Der Schelch wird ursprünglich durch ein langes
Handruder gesteuert. Man nennt dieses Ruder auch
Streiche, (daher auch Streichschelch). Diese ist in einer
Gabel am Heck geführt.
Ein Untertyp ist auch der sogenannte Wernerschelch, der
durch ein langes Handruder gesteuert wird. Dieses
Handruder ist in einer Gabel am Heck befestigt. Ein
weiterer Untertyp ist der sogenannte Keilschelch. Mit
diesem wurde auch der Rhein befahren. Sein Steuerruder
wurde durch eine Ruderpinne bewegt, ein ins Ruder
eingezapftes Querholz.
Ein schönes Bild eines Schelches ist in einem Kupferstich
der Stadt Klingenberg aus dem Jahre 1625 überliefert.
Historische Schiffstypen
Flussaufwärts wurden die Schiffe als Treidelzüge von
Leinreitern gezogen. Ein Zug bestand aus einer Kette von
Fahrzeugen, vornean meist ein größeres Schiff, z. B. eine
Frankensau oder ein Marktschiff, und dann kamen im
Anhang Schelche, Schlumper und Nachen bis zum
kleinsten Fahrzeug, dem Ankernachen. Der Leinpfad
wechselte oft die Uferseite vor den Mündungen der
Nebenflüsse oder vor Steilhängen. An solchen Stellen
mussten Pferde und Reiter die Fahrrinne durchqueren
oder übergesetzt werden. Talwärts trieben die Schiffe im
Wasserstrom. Bei günstigem Wind wurden Segel gesetzt.
Die Kosten für das Treideln der Schiffe waren hoch.
Daher konnte ein Gewinn meist nur bei ausreichend
tiefem Fahrwasser und mit voll beladenen Schiffen, auch
auf Talfahrten erzielt werden.
Treidler vor Klingenberg, offenbar eine Nacharbeit des
Stiches von 1625:
Das auf dem Kupferstich von Klingenberg 1655 der Treidelzug
talwärts ziehend abgebildet ist, war wohl ein Versehen des
Kupferstechers, vielleicht weil er die Seitenumkehr beim Druck
übersehen hatte. Man erkennt gut die Aufhängung des
Treidelstranges am Mast. Wie der Treidelzug an den am Ufer
liegenden Schiffen mit Mast vorbei kommen kann, ist nicht zu sehen.
Der Brunntorturm sitzt auch am falschen Platz, nicht an der
Stadtmauer. Man sieht aber gut die 1000-jährige
Linde.
Vom Mittelalter bis zur Vereinigung der deutschen
Stämme unter den Hohenzollern war die Fahrt auf dem
Rhein durch Zölle und Abgaben erschwert und verteuert.
Das berührte auch den Wechselverkehr von und zu den
Nebenflüssen, also auch zum Main.
Erste registrierte Schiffe
Zur Blütezeit der Territorialherrschaften gab es dutzende
Zollstationen im
Rheingebiet. 1794 saßen an der uralten „Pfaffenstraße" geistliche
und weltliche Herren noch so mannigfaltig beieinander, daß auf der
Strecke Germersheim bis
Rotterdam noch an 32 Orten Rheinzoll erhoben wurde.
Zollstellen zwischen Bingen und Emmerich: Bingen (Kurmainz),
Bacharach und Kaub (Kurpfalz), St. Goar (Katzenellenbogen),
Boppard und Leutesdorf (Kurtrier), Andernach, Linz, Bonn, Zons
(Kurköln), Düsseldorf und Kaiserswerth (Kurpfalz), Ruhrort, Orsoy,
Rees, Emmerich (Preußen-Kleve).
Mit der französischen Revolution kam auch die Gewerbefreiheit in
Gang. Eine Oktroi-Konvention vom 15. 8. 1804 führte zu einer
Rheinschiffahrts-Oktroi vom
4. 5. 1805. Das Rheinschiffahrts-Oktroi trat an Stelle der vielen
Rheinzölle. Es war zwar nur wenig niedriger als die früheren Zölle,
brauchte aber nur einmal entrichtet zu werden. So wurde der Verkehr
bedeutend schneller.
Mit dem Inkrafttreten des Rheinschiffahrts-Oktroi ab 1.
11. 1805 war auch eine Anordnung verbunden, nach der
eine Eichung aller den Rhein und seine
Nebenflüsse befahrenden Schiffe notwendig wurde.
Diese Neuerung der Zollordnung löste bei den
Mainschiffern großen Ärger aus, denn die Eichung der
Schiffe war mit Unannehmlichkeiten, Zeitverlust und
Kosten verbunden. Die Mainschiffe mussten der
Eichkommission in Mainz vorgestellt werden. Schon die
Fahrt dahin und die Rückfahrt bedeuteten für die
Mainschiffer verlustreiche Leerfahrten. Mit der
Eichpflicht war auch die Auflage zu einer
Namensführung verbunden. Zuvor war eine Benennung
der Schiffe nicht üblich.
Die ersten Schiffe, die am Main registriert wurden, sind
in der sog. Polizeiakte von Mainz aus dem Jahre 1808 zu
finden. Hier sind für Klingenberger Schiffer
21 Schiffe registriert. Damals wurden keine Schiffsnamen
aufgezeichnet, nur die Namen der Schiffseigner, der
Schiffstyp und die Schiffsgrößen, gemessen in
Tragfähigkeit. Abmessungen sind nur gelegentlich
verzeichnet, die Baujahre gar nicht.
Am Beispiel der ersten Eintragungen wird auch deutlich,
dass ein Schiffer mehrere Schiffe im Betrieb hatte, die
auch gleichzeitig getreidelt wurden.
Die Darstellung der ganzen Liste von 21 Schiffen - meist
ohne Namen - wäre an dieser Stelle wenig
aufschlussreich. Jedoch die Namen der Schiffer seien hier
aufgelistet:
Jacob Ebert
Joh. Franz Ebert
Josef Ebert sen.
Valentin Ebert
Bernhard Ebert
Paul Laudenschläger
Jörg Ebert
Franz Ebert
Josef Ebert jun.
Anton Ebert
Johannes Ebert
Franz Schönig
Weitere Namen von Schiffern aus Klingenberg sind aus
den Protokollen des Fischer- und Schiffervereins bekannt,
darunter als Meister aufgenommen:
Hans Georg Schmitt
Johannes Georg Schmitt
losef Schmitt
Erste namentlich registrierte Schiffe
Waren nach der französchen Revolution neuere
Gewerbeordnungen eingekehrt, konnte nach dem Sieg
über Napoleon auf internationaler Ebene - auf der die
Rheinschifffahrt ja geregelt werden musste -
weitreichende Strukturveränderungen beschlossen
werden. Die Rheinschfffahrt wurde frei.
Nach dem allgemeinen Frieden von Paris vom 30. Mai 1815 wurde
das Rheinoktroi als Handelshemmnis erkannt. „Die Schifffahrt des
Rheins" hieß es in Artikel 5 des Pariser Friedensschlusses - „von
dem Punkte an, wo sie schiffbar wird, bis in das Meer und
umgekehrt soll in der Weise frei sein, dass sie Niemand untersagt
werden könne. .... „Man wird sich auf dem künftigen Kongresse mit
den Grundsätzen beschäftigen, nach welchen die von den
angrenzenden Staaten zu erhebenden Gebühren auf die
gleichmäßigste und für den Handel aller Nationen vorteilhafteste
Art reguliert werden können. "
Für den Verkehr auf dem Rhein wurden
Polizeiverordnungen eingeführt.
Schiffe mussten nun durch einen Namen oder eine
Devise kenntlich gemacht werden. Im Auftrag des
Statistischen Comités in Frankfurt wurde der Bestand an
Schiffen auf dem Main erfasst. Im Jahre 1840 hat Heinrich
Meidinger eine statistische Übersicht über die
Mainschifffahrt und Flößerei verfasst, die sog.
Meidinger-Liste. Es handelt sich um eine punktuelle
Erfassung aus Unterlagen der Zollstationen Hanau und
Höchst. Hier tauchen dann auch die ersten Schiffsnamen
auf. Das erste namentlich genannte Klingenberger Schiff
ist „Pankratius", der Schutzpatron der Klingenberger
Kirche.
Während in der Mainzer Polizeiakte auch Kleinere
Schiffe wie Fischernachen, Ankernachen und sog. Spitzer
aufgelistet sind mit Tragfähigkeiten von 12 Ztr. bis 80 Ztr.
und gelegentlich Ruderschelche bzw. Streichschelche von
300 bis 600 Ztr., sind in der Meidiger-Liste Ruderschelche
von 1100 bis 1800 Ztr. namentlich aufgeführt.
Aus dieser „Statistischen Übersicht über die Schiffahrt
auf dem Main von 1840" (von H. Meidinger) geht hervor,
dass Klingenberg mit ca. 1000 Einwohnern für die
Schifffahrt bedeutsam ist mit Holzhandel, Weinbau und
Tonerde. Die jährliche Ausfuhr betrug 20 bis 30000 Ztr.
In der genannten Meidinger-Statistik sind folgende
Schiffe aus Klingenberg namentlich registriert:
Schelche vor Klingenberg zu Feierabend
Um sich eine Vorstellung von den damaligen Schiffen machen zu
können, hat der Autor ein Bild gemalt, das Schiffe zeigt, die zum
Feierabend festgemacht hatten am Erlenbacher Ufer mit Blick auf
Klingenberg.
Die erste zuverlässige Registrierung erfolgte ab der
Gründung des IVR, (Internationales Rheinfahrt Register),
das 1874 in Frankfurt gegründet wurde. Dieses Register
war von Versicherern aufgestellt worden, um die
Tauglichkeit eines Schiffes für den Gütertransport zu
untersuchen, zu attestieren und bekannt zu machen.
Das Register nennt neben dem Schiffseigner auch den
Schiffsnamen, den Schiffstyp, die Hauptabmessungen,
das Fahrtgebiet, die letzte Untersuchung, die
Tragfähigkeit, die Besatzungsstärke und Bauort und
Baujahr. Damit beginnt hier für diese Darstellung die
Möglichkeit, die Schiffe ihrem Alter nach aufzulisten.
Im IVR-Register genannt: Segelschiff „VORSORGE" von
Klingenberg
Das Foto zeigt das Segelschiff „VORSORGE" in Würzburg. Das
Schiff ist gebaut in Wörth 1885 für Josef Ebert aus Klingenberg. Es
hatte eine IVR-Zulassung für Main und Rhein, letzte Klassifizierung
1901 in Köln. Auf diesem Schiff hat mein Großvater als Schiffsjunge
angefangen und das Schiff später erworben. Das Foto stammt von
1908 (It. meinem Vater). Es ist in Würzburg vor dem ersten MSG-
Büro aufgenommen, anlässlich einer Mitgliederversammlung.
Deshalb die vielen Schiffer auf der Kaimauer. Und hinter den
Schiffern ist neben dem Restaurant Mainstrand ein Haus mit weiß
getünchtem Erdgeschoss. Darauf steht
"Mainschiffer Verband" Das war der Vorläufer der MSG. Darunter
steht "Vertreter Otto Ebert". Der war Miteigner mit Karl J. Schmitt
der „VORSORGE" Deshalb wurde sie dort präsentiert.
Im ersten gedruckten Register von 1875 sind Baujahre -
soweit sie bekannt waren - von 1864 an genannt. Manche
Schiffe aus den Baujahren vor 1875 sind allerdings auch
erst in späteren Verzeichnissen erwähnt. Das IVR-
Register weist mit Heimathafen Klingenberg zunächst die
Holzschiffe aus.
Dabei sind auch Schiffe ohne Namen vorhanden. In der
Kategorie Schelch oder
Segelschiff aus Holz sind es 29 Schiffe.
Klingenberger Schiffe aus der IVR-Liste von
1875 an
Mit dem wachsenden Schiffsbestand kam es auch
häufiger zu Havarien. Ganz oft sind es die Brücken, an
denen die Schiffe scheiterten. Die Aschaffenburger
Brücke war eine besondere Gefahrenstelle. Aus jener Zeit
sind aus fleißigen Recherchen von Otto Berninger auch
Zeitungsmeldungen von Klingenberger Schiffern und
Fischern überliefert.
Eiserne Schiffe
In Deutschland begann der Eisenschiffbau in der ersten
Hälfte des 19. Jahrhun-derts, nachdem in England erste
eiserne Dampfschiffe in Betrieb gekommen waren. Auch
in Deutschland verwendete man Eisen zunächst nur für
Dampfschiffe, was eigentlich verwunderlich ist, denn das
Kasko eines Kahnes ist doch einfacher in der
Konstruktion und konnte zu größeren Schiffen führen.
Der erste eiserne Lastkahn für den Rhein wurde 1841
erbaut. Er hatte eine Tragfähigkeit von 250 Tonnen.
Immer wieder einmal wurde die stolze Behauptung unter
den Mainschiffern verbreitet, dass eines der
Klingenberger Schiffe, der „FORTSCHRITT" von
Heinrich Ebert, das erste eiserne Schiff auf dem Main
war. Dieses Schiff war 1888 bei Christof Ruthof in Mainz-
Kastell gebaut worden, war 44,00 m lang, 6,88 m breit und
hatte einen Tiefgang von 1,50 m. Die Tragfähigkeit ist mit
5726 Ztr. (286 t) angegeben. Das Schiff war mit
Seitenschwertern, sowie mit 2 Lademasten und Sprieten
ausgerüstet.
Zu diesem Schiff hat Otto Berninger vom Wörther
Schifferverein dankenswerterweise viel recherchiert und
überliefert. Im Laufe seiner langen Lebenszeit hat das
Schiff viele Umbauten erfahren. 1904 wurden die
Seitenschwerter und 1911 und 1916 die Lademasten
entfernt. Sie waren für den Schifffahrtsbetrieb nicht mehr
erforderlich. Eine moderne Ruderanlage
ersetzt 1908 das alte Helmstockruder. Weitere Umbauten
und Modernisierungen folgten.
Das Prädikat, das erste eiserne Mainschiff gewesen zu
sein, führte jedoch der Schleppkahn "FORTSCHRITT' zu
Unrecht. Es gab ein Schiff des Aschaffenburger Schiffers
Jocob Orschler mit Namen „ELISA", das am 6. 5.
1887 - also 1 Jahr früher - in einer Aschaffenburger
Zeitung als das erste bayerische Mainschiff bezeichnet
wird. Auf seiner ersten Fahrt transportierte dieser
Schleppkahn 250 t Kohlen vom Ruhrgebiet nach
Frankfurt-Oberrad, wo es am 9. 10. 1887 eintraf.
Am Untermain, vornehmlich in Frankfurt, sind in dieser
Zeit schon eine Reihe eiserner Schiffe registriert, die
bereits 1846 erbaut wurden. Mit dem Beginn der
Mainkanalisierung von der Mündung bis Frankfurt von
1883 bis 1886 war die Möglichkeit zum Einsatz größerer
Schiffe, bis etwa 800 Tonnen gegeben. Diese Schiffe
waren natürlich eiserne Schiffe. Ihre Zahl wuchs schnell
an. Auch Gustav Ebert aus Klingenberg hatte ein eisernes
Schiff in Betrieb, die „Geschwisterliebe“.
Zum „FORTSCHRITT" ist noch aus eigenem
Erleben zu berichten:
Das Schiff war noch in den 50-iger Jahren in Fahrt. Heinrich
Ebert (der Sohn des Erbauers Heinrich Ebert) hatte seinen
Wohnsitz nach Lohr verlegt. Sein Sohn Seppel war
zusammen mit Bernd Baumgärtner, Klaus Arnold und mir
in der Schifferschule in Würzburg, wo wir 1959 den
Bootsmannsbrief gemacht haben. Der Seppel war ein
Musterschüler, musste jeden Tag unter Aufsicht des Vaters
für die Prüfung büffeln.
Später war er Star-Kapitän auf einem Raab-Karcher-
Schubboot. Wenn man beim „FORTSCHRITT" auf Seit
fahren wollte, musste man außer den Händen für den Draht
auch noch mit zwei weiteren Händen und am besten auch
noch mit den Zähnen ein Reibholz halten. Der Lohrer
Heinrich mit seinem schönen Bart kam sofort aus seiner
hölzernen Decksküche heraus, stand immer dabei und hat
genau darauf geachtet, dass seinem Schiff auch ja kein Leid
zugefügt wurde. So hatte er auch viele Probleme, wenn sein
Schiff an der Ruhr mit den großen Greifern beladen wurde.
Zur Gelassenheit geholfen hat ihm wohl, dass er morgens
erst mal einen Schnaps getrunken hat.
Schlepp-Schiffe
Hatte im IVR die Registrierung zunächst hölzerne Schiffe
erfasst, so war diese Registrierung in der Folge natürlich
für die eisernen Schiffe obligatorisch.
Außer den erwähnten „ersten" eisernen Schiffen sind nun
viele Schiffe in Klingenberg registriert, die alle aus Eisen
gebaut sind. Von den Schleppschiffen sind die meisten
später motorisiert worden. Sie sind dann als
Motorschiffe im IVR-Register genannt.
Mit dem Übergang auf das Baumaterial Eisen war auch
das Kapitel Treidelschifffahrt auf dem Main beendet. Ab
Mitte des 19. Jahrhunderts tauchen Dampfschiffe auf dem
Main auf. Zunächst Passagier und Paketschiffe, später
wurden diese auch als Schlepper benutzt.
In England war bereits 1821 in Staffordshire das erste eiserne
Dampfschiff erbaut wworden. In Deutschland erstmals 1834/35 die
Werft der Königl. Preußischen Seehandlungs-Societät in Berlin-
Moabit an den Bau eines eisernen Dampfschiffes. Es erhielt den
Namen "Prinz Karl" Konstrukteur war der englische Ingenieur
Gilbert aus Derbyshire. 1836/37 baute die Werft des Dresdner
Aktien-Maschinenbau-Vereins in Uebigau/ Elbe die eisernen
Raddampfer "Königin Maria" und "Prinz Albert". 1838 wurden auf
der Werft der Gutehoffnungshütte in Ruhrort die Raddampfer "Graf
von Paris" und "Stadt Mannheim" erstellt.
Nach dem Aufkommen erster Dampfschiffe auf dem
Main wurde 1841 die Main-Dampfschifffahrts-
Gesellschaft in Würzburg gegründet. Die Gesellschaft
richtete 1847 eine Dampfschleppschifffahrt auf dem Main
ein, die allerdings 1858 wieder eingestellt wurde.
Es waren Raddampfer, mit denen die Dampfschifffahrt
auch auf dem Main eröffnet wurde. Diese konnten sich
jedoch aus mehreren Gründen nicht durchsetzen:
Erstens behinderten die ungünstigen Fahrwasser des
Mains bei niedrigen Wasserständen der Sommermonate
die Dampfschiffe mit ihrem relativ großen Tiefgang,
zumal die vom bayerischen Staat zugesagten Fahr-
wasserverbesserungen nicht in ausreichendem Maße
vorgenommen wurden. Zweitens war die etwa zeitgleich
aufgebaute Eisenbahn den Dampfschiffen überlegen; sie
fuhr schneller und hatte kürzere Wege. Der Wasserweg
von Mainz nach Schweinfurt war um 88 Prozent länger.
Außerdem konnte die Bahn Zollstellen ohne Wartezeiten
passieren und wurde finanziell nicht durch Zölle und
Abgaben belastet. So wurde deshalb 1858 die
Dampfschifffahrt mit Raddampfern wieder eingestellt.
Der Schiffer Otto Ebert aus Klingenberg hat danach noch
einen Dampfer zwischen Frankfurt und Würzburg
betrieben mit dem Namen „Frankonia" ex „Moguntia",
der möglicherweise später den Namen „Prinz Ludwig"
erhielt. Mit dem Schiff dieses Namens ist der
Klingenberger Turnverein 1908 zum Deutschen Turnfest
nach Frankfurt gefahren. Der wirtschaftliche Nutzen war
jedoch nicht ausreichend, so dass Otto Ebert das Schiff an
die Elbe verkaufte.
Erst nach dem Ausbau des Maines mit Staustufen und
Schleusen kam die Dampfschifffahrt doch noch einmal
wieder auf. Auch in Klingenberg konnte man dem
technischen Fortschritt Folge leisten mit dem Dampfer,
den Otto Ebert von Schmitz aus Moers gekauft und eine
Zeit lang auf dem Main betrieben hat. Zuletzt war er auf
Wasserbaustellen als Schlepper im Einsatz.
Die Kettenschiffahrt
Als kurze Episode in der Schleppschifffahrt nach der
Treidelschifffahrt kam zunächst die Kettenschifffahrt auf.
Nachdem die Mainschifffahrt immer mehr ihrer
Transportkapazität an die Eisenbahn verloren hatte und
der Einsatz von Raddampfschleppern aufgrund des
flachen Fahrwassers des Mains scheiterte, war die Idee
von Heino Held, Inhaber der Mainzer Speditions- und
Kohlenhandlung C. J.H. Held & Cie., die Schifffahrt
durch Einführung der Kettenschlepp-Schifffahrt zu
retten.
Ermuntert von den gerade auf der Elbe in Gang gekommenen
Unternehmen beantragte Held bei den Behörden von Preußen,
Bayern und Hessen am
15. Februar 1871 eine entsprechende Konzession. 1872 gründeten
daraufhin die verschiedenen Länder und Städte entlang des Mains
ein Komitee in Aschaffenburg. Unterstützt wurde das Komitee durch
Ewald Bellingrath, der schon bei der Einführung der
Kettenschifffahrt auf der Elbe und dem Neckar federführend war.
Zur Debatte standen die Kettenschiffahrt und die Kanalisierung des
Mains. Das zum Großherzogtum Hessen gehörende Mainz trat für
die Kettenschifffahrt ein, da es befürchtete, dass nach einer
Kanalisierung des Mains die Rheinschiffe ihre Güter direkt bis nach
Frankfurt bringen könnten und Mainz so seine Stellung als
Umschlagplatz verlöre. Das damals zu Preußen gehörende Frankfurt
wollte Rheinhafen werden und stimmte der Kette erst zu, nachdem
die Kanalisierung bis Frankfurt vollendet war. Der bayerische
Landtag war ebenfalls Gegner der Kette; er fürchtete eine
Konkurrenz für die staatliche bayerische Eisenbahn und genehmigte
die Kette vorerst nur bis Aschaffenburg. Die Kette im Main verlegte
die hessische Aktiengesellschaft Mainkette-AG. Die Kettenboote
wurden 1886 auf der Neckarwerft in Neckarsulm gebaut. Die Pläne
zum Bau stammten von der Firma Gebr. Sachsenberg aus Roßlau
(Elbe), die bereits viele Jahre Erfahrungen mit dem Bau von
Kettenschiffen gesammelt hatte und auch die gesamten
Maschinenanlagen zur Fortbewegung mit der Kette an den Neckar
lieferte.
Die Kettenschiffe zogen sich selbst und bis zu zehn
angehängte Kähne und erreichten dabei eine
Geschwindigkeit von etwa fünf Kilometern pro Stunde.
So wie anfangs die Frankfurter an der Kanalisierung des
Mains bis zu ihrer Stadt interessiert waren, zeigte bald der
bayerische Staat größtes Interesse an der
Mainkanalisierung bis Aschaffenburg. Alle Güter,
insbesondere die zum Betrieb der Bayerischen
Staatseisenbahnen erforderliche Ruhrkohle sollten bis
dorthin per Schiff transportiert, dort bevorratet, gelagert
und verteilt werden können.
Am 7. August 1886 wurde die ausgebaute Strecke
zwischen Mainz und Aschaffenburg in Betrieb
genommen.
Am 11. Nov. 1889 wurde eine Eingabe an die Kammer der
bayrischen Reichsräte gerichtet, die die Erweiterung der
Kettenschiffahrt von Aschaffenburg bis Bamberg
forderte. Auch der Klingenberger Schiffer Josef Ebert hat
mit vielen prominenten Interessenten den Antrag
unterschrieben.
In den Jahren 1894 bis 1905 wurde der Main von
Aschaffenburg bis Kitzingen für die Kettenschifffahrt auf
eine Fahrwassertiefe von 90 cm und 22 m Breite
ausgebaut.
1892 stimmte die bayerische Regierung der Verlängerung
ihrer Kette bis Miltenberg zu, 1899 erreichte sie
Würzburg. Bis Lohr war die Kette 1895 verlegt, aber ein
Kettenschlepper wurde erst 1898 ausgeliefert und die
Kettenschiffahrt bis Lohr erweitert. Im Jahre 1900 war der
Kettenbetrieb bis Kitzingen aufgenommen.
Der Fränkische Kurier schrieb in einem Rückblick über
die Anfänge der Kettenschifffahrt:
„Das war die Zeit, in der eines Tages das „Kettenboot' die Dörfer
und Städte überraschte. Welch ein Jubel damals! Als wäre ein
Ueberseedampfer den Rhein und Main heraufgekommen! [...) Meter
um Meter stieg da triefend wie eine eiserne Schlange die Kette aus
der Tiefe, rollte über das Verdeck, verkroch sich, und plötzlich war
sie wieder da, um im nassen Element zu verschwinden. Und die
Kinder und Alten standen und staunten.“
Die Kettenschiffahrt erreicht Klingenberg 1898
1998 erreicht die Kettenschifffahrt den Abschnitt Aschaffenburg -
Miltenberg. Mit der Kanalisation des Maines, geht dieser
Schleppbetrieb an Schraubenschlepper über.
In der Talfahrt benutzten die Kettenschlepper nicht die Kette,
sondern einen Turbinenantrieb. Das war ein von einer Dampfturbine
in einem Rohr angetriebener Propeller, der einen Strahlantrieb für
voraus und zurück bewirkte. Damit ließen sich doch auch
Schleppzüge - wie hier vor Klingenberg zu sehen - von 7 Anhängen
betreiben.
Das Aufstauen des Flusses führte zu einer größeren
Wassertiefe und reduzierte gleichzeitig die
Fließgeschwindigkeit. Vor allem mussten die langen
Schleppzüge an den Schleusen der Staustufen aufgeteilt
und getrennt geschleust werden. Das konnte bis zu fünf
Stunden Verzögerung bedeuten, da die Schleppkähne
mühsam per Menschenkraft in die Schleuse hinein und
auch wieder herausgezogen werden mussten.
Alles das verschob die Rentabilität von der
Kettenschifffahrt zu schraubengetriebenen Schleppern.
Die hessische Mainkette-AG konnte mit der
fortschreitenden Mainkanalisierung bis Aschaffenburg
im Jahr 1921 nur noch ihre Schraubenschlepper
wirtschaftlich einsetzen und gab den Schleppbetrieb mit
den Kettenbooten Anfang der 1930er lahre ganz auf. Die
Mainkette-AG vergrößerte ihren Schiffspark um drei
Schrauben-dampfschlepper, die zuerst hauptsächlich als
Zubringer in Mainz-Kostheim und Frankfurt eingesetzt
wurden, dann aber immer häufiger auch für den
Schleppdienst zwischen Mainz und Frankfurt selbst
eingesetzt wurden.
Einfahrt bergwärts in die Schleuse Oberrad (Offenbach) 1911.
Die Schleuse wurde 1901 in Betrieb genommen.
Die Kanalisierung des Maines und das Aufstauen des
Flusses schritten weiter voran. Die Schleusen Obernau,
Wallstadt und Klingenberg wurden 1929 in Betrieb
genommen; das war dann auf diesen Abschnitten auch
das Ende der Kettenschifffahrt. Die letzte „Meekuh"
konnte in Klingenberg 1929 gesehen werden.
Weitere Beschreibungen der Kettenschffahrt auf dem Main sind den
fleißigen Recherchen von Otto Berninger vom Wörther
Schifferverein zu danken, die dort 1987 veröffentlicht wurden.
Motor-Schiffe
Schiffe als Selbstfahrer entstanden zunächst durch
Umbau. Viele Schleppkähne wurden irgendwann in den
50-ger Jahren zu Motorschiffen umgebaut und sind
letztlich als solche in den Schiffsregistern genannt.
Eine kleine Episode sei noch vermerkt zum Heimathafen
Klingenberg. Die „MAINPERLE" war zeitweise aus der
Klingenberger Flotte ausgeschieden. Die Stadt
Klingenberg, als Eigentümerein des Bergwerkes, hat 1954
die Transporte komplett an eine Schifffahrtsgesellschaft
in Miltenberg vergeben. Karl Th. Schmitt hatte als
Klingenberger aber ein besonderes Interesse, ein paar
Tage Ladezeit an der Einladung zu verbringen und wehrte
sich dagegen. Die Stadt ließ sich aber nicht bewegen und
so wurde das Gewerbe der „MAINPERLE" nach
Dorfprozelten verlegt. Mit Schiffen kann man das ja
machen.
1957 kehrte aber wohl Friede zwischen Klingenberg und der
„MAINPERLE" ein. Es gab wieder Tonladungen. Die Namensplanke
wurde wieder umgepinselt.
Inzwischen ist das Tonbergwerk geschlossen. Es gibt
auch keine Holztransporte mehr von Klingenberger
Gelände aus. Auch Baustoffe werden keine mehr
transportiert. Das gab es einmal eine kurze Zeit lang. Am
Röllfelder Ufer arbeitete eine Bimssteinfabrikation, die
von Schiffen mit Bimskies beliefert wurde.
Die in der Meidinger Statistik von 1840 erwähnte
wirtschaftliche Bedeutung von Klingenberg als
Verladehafen ist erloschen. Gewerblich angemeldet ist in
Klingenberg kein Schiff mehr. Aber noch gibt es
Klingenberger Schiffe, wohl weil es noch Schiffer gibt,
die sich in Klingenberg gut beheimatet fühlen.
Weiter so: In Gottes Namen.