© Fischer- und Schifferverein Klingenberg e.V.
Nürnberger Kaufleute
Traktat über die Ehrbarkeit derselben von Klaus Schmitt 2010
Da spricht man vom ehrbaren Kaufmann. Da wird uns in
Nürnberg sogar ein Beleg aus dem Jahre 1497 für die
historisch gewachsene Lauterkeit Nürnberger Kaufleute
vorgeführt.
Aus Klingenberger Sicht hat man es nicht so mit den
Nürnberger Kaufleuten. Haben die doch ehemals die
Klingenberger um ihre Einnahmen aus dem Wegezoll
betrogen. So musste sich am 24. September 1746 der
Klingenberger Amtmann Franz Lothar von Mairhofen zu
Aulen-bach bei der Kurmainzischen Regierung beschweren,
dass die zur Frankfurter Messe ziehenden Nürnberger
Kaufleute „in der Heim- und Anreyss Sich der Straßen
jenseits des Mains wider das herkommen zu bedienen
unterfangen" um sich der Abgabe des Geleitsgel-des in
Klingenberg zu entziehen. Und der Amtmann betont, dass
auf dem rechten Mainufer „die Gelaitstraße von
onturdenklicher Jahren herruchet ... und die Nürnberger
Gelaitsleuth keinen andern weeg als diesen gebrauchen
dürfen, da doch Clingenberger seiths, wie be-kannt, die
Gelaithstraßen sey."
Auch als im ausgehenden 17. Jahrhundert des Geleit
allmählich praktisch weggefallen war (man gab nicht mehr
auf der ganzen Wegstrecke ein Geleit, sondern baute erst
Landwehr-türme zur Sicherung, so z.B. zwischen
Klingenberg und Erlenbach gab es einen Geleitturm, dann
ersetzte man auch diesen Service durch Geleitbriefe) da
verlangte man noch immer das Geleitsgeld, den friedezol.
Das brachte Klingenberg z. B. in 1696 noch immer 106
Gulden im Jahr. Davon mussten aber auch Wege und
Brücken instand gehalten werden und Hand- und
Spanndienste geleistet werden. Letztere drückte man den
Erlenbachern auf.
Es ging also um Geld, das die Nürnberger Kaufleute den
Klingenbergern verweigern woll-ten. Ist das ehrbar?
Ohne Voreingenommenheit betrachten wir nun das Relief
an der Nürnberger Industrie- und Handelskammer. Dies ist
so etwas wie eine mittelalterliche Website. Es zeigt einen
wichtigen Vorgang eines Handelsgeschäftes in der Praxis.
Da wird ein Warenpaket abgewogen und es sieht durchaus
nach ordentlichen Prozeduren aus. Das Spruchbandmotto
(auf dem Bild nicht leicht zu entziffern) meint: „Hier
werden alle gleich
behandelt!"...
Diese Aussage ist nach ISO-9001 als Policy wertlos, weil
nicht aussagefähig im Sinne der Qualität einer
kundenorientierten Dienstleistung. (Es könnte ja jeder
gleich beschissen wer-den.)
Betrachten wir das mal genauer. Betrachten wir zunächst
den Helfer an der Waage.
Er schleppt schwere Gewichte, aber irgendwas versüßt ihm
diese Last. Er blickt doch leicht versonnen und recht
zufrieden in die Welt, lächelt heimlich, weiß wohl was er
gleich für ein Entgelt erhält für seine Arbeit oder für sein
Weggucken.
Und nun der Waagemeister. Sein Gesicht ist ausgemergelt,
hohlwangig, die Augen treten vor wie bei einem
lungenkranken Galeeren-sklaven. Solch ein Mensch in
seiner Not ist äußerst bestechungsgefährdet. Vielleicht
sogar dauerhaft, weil er alles gleich wieder ver-säuft. Es
sieht nicht wie ein Sparer aus. Würde man von solch einem
Typen z B. einen gebrauchten Mainschelch kaufen? Ein
Waagemeister sollte so solide aussehen wie vielleicht ein
langgedienter Postbeamter. Etwa wie der Edgar.
Und hier nun der Kaufmann. Verkniffen, fast verkrampft,
als hätte er Lehman-Brother-Zertifikate im Depot. Er
scheint aber Lust an der Gier zu haben. Ein heimliches
Lächeln verdeckt er mit dem Schmerz, dass er hier
Gebühren oder gar Bestechungsgeld herausrücken muss.
Aber es zählt ja das, was nach Adam Riese unter dem
Strich, halt nein, der war ja gerade mal eben zwei Jahre alt,
also dann das, was nach Helmut Kohl hinten raus kommt.
Er zeigt auch nicht die gebende Hand, wie ein Christen-
mensch (ach ja, die Nürnberger sind ja evangelisch) das
sonst darstellen würde, wenn es sich wie im ordentlichen
Handel um Geben und Nehmen handelt. Er aber wühlt
verkrampft in seinem Geldbeutel um ja keine zu große
Münze hervorzuholen. Es geht ja hier nicht um die
Bezahlung des Warenwertes, sondern um das, was an der
Waage zu entrichten ist.
Es könnte ja sogar ein wohlhabender Kölner sein, denn die
sagen auch:
„Mer han et nit vum Jeve, mer han et vum Behaale."
Nach diesen Detailstudien noch mal ein Blick auf das ganze
Bild. Man sieht, dass der Waa-gemeister die Hände an den
Waagschalenketten hat. Genau das darf aber nicht sein. Die
Waage muss sich frei bewegen können und der Zeiger muss
sich freiwillig auf Null einstel-len. Mit den Händen an den
Ketten sieht man von außen nicht, welcher Bizeps unter
dem Kittel mehr zieht, der auf der Gewichtsseite oder der
auf der Warenseite. Es wird hier also etwas dargestellt, was
es unter ordentlichen Kaufleuten gar nicht geben darf.
Nun fragt man sich, was hat sich der Künstler Adam Kraft
1497 dabei gedacht. Er war ja Zeitgenosse von
Michelangelo, d. h. man hat damals schon bewusst einen
Ausdruck in der Bildhauerei angestrebt. Wenn man es
konnte. Und Adam Krafts bildhauerisches Können bewegte
sich zweifellos auf sehr hohem Niveau. Was ist also seine
Aussage? Ist es so was wie die politische Karikatur in der
Tageszeitung? Wäre es eine Vorlage für einen Wagen im
Rosenmontagszug? Ach, nein, die sind ja evangelisch.
Ist ein solches Relief vielleicht doch so was wie die
mittelalterliche homepage im mittelalterlichen Internet?
Man müsste da nun weiter klicken können. Aber wir
können es nicht. Wir registrieren nur, dass die Nürnberger
stolz darauf sind, ohne genau zu wissen auf was da ei-
gentlich.
Nehmen wir also diskret gnädigen Abstand von deren
internen Wertschätzungen, und finden wir Genugtuung
vom christlichen Mainz. Dort hat es für die Klingenberger
dann der Bischof rechtschaffen gerichtet, so dass die
Nürnberger wieder schmerzverzückt in ihren Beutel greifen
mussten:
„Wir Daniel von Gottes gnaden dess Heyligen Stuels zue
Mainz Ertzbischoff...Bekennen...
Nachdem die Ersamen Unsere Lieben, getrewen Renth-
und Paumeister und Rathsess Zue Clingenberg Uns
gebette, Ihnen Unser Weggeleidt daselbst Zue besserer
erhaltung der StatMawern, Pforten, pflaster, schläge undt
weeg Zue gueten kommen undt einheben zue lassen...
Haben wir ihre underthenigst pitt bewilligt."