© Fischer- und Schifferverein Klingenberg e.V.
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Brigantine Studienbericht aus dem Thermalbad Héviz
Es ist in allen See- und Kurbädern eine strenge Ordnung vorgeschrieben, damit keine Flegeleien und Unanständigkeiten auftreten. In Thermalkurbädern ist diese Ordnung etwas aufgelockert, weil man sich dort ja aus Gesundheitsgründen und nicht zum affektierten Auftritt aufhalten will. Es spielt sich da aber dann ganz von selbst eine Aufenthaltsordnung für die verschiedenen Wasserbecken ein. Im Thermalbadbecken sieht man alles, was glaubt Gesundungsbedarf haben zu müssen, alles was es an bloßgelegten Figuren geben kann und ohne Rücksicht auf die ästhetischen Grundbedürfnisse des beigesellten Betrachters. Man sieht vor allem Dicke, Krumme, Verkrumpelte, mit überquellend wabernden Fettmassen.. ach, man kann es gar nicht beschreiben...in Schiffstypen ausgedrückt wären das: Fregatten, Ostindiensegler, Panzerkreuzer, Erdölkolosse, Erzbulker, bis hin zu Hulks, soweit sie nicht mehr zum Verkehr tauglich sind. Es ist halt so, und es ist für ausgebildete Schiffbauer nicht leicht, diese Anblicke zu ertragen.
Die umsichtige Badeverwaltung hat deshalb dort mehrere griechische Schönheiten in Gips aufstellen lassen, um diese schmerzhafte Attacke auf das Schön- heitsempfinden mit möglicherweise nachhaltigen traumatischen Schäden durch vorbeugend heilende Ablenkung
überstehen zu können. Diese Figuren dürfen dann - wohl eingeprägt und mehrmals wiederholt eingeprägt - als Modell für Maler genutzt werden. In der Schwimmhalle ist die Situation schon besser. Hier produziert sich nicht mehr jede Figur. Hier hilft dann schon, wenn der Badeanzug aus gut elastischem und leicht verzurrbarem Persenningmaterial besteht. Manche getrauen sich sogar im Bikini aufzutreten, was dann in Einzelfällen jedoch womöglich eigentlich mehr verdirbt als verschönert. In Schiffstypen ausgedrückt sieht man dort: Vollschiffe, Mutterschiffe, Kohlefrachter, Trampschiffe, Bananendampfer, Fabrikschiffe und solcher Art Nutzfahrzeuge. Und dann gibt es da den Saunabereich. Da kann keine Persenningabdeckung, kein Sonnentenn und keine Verzurrung mehr helfen, auch kein Bikini und kein Monokini. Hier gilt Zerokini, und da muss die Figur einfach stimmen. In Schiffstypen ausgedrückt findet man da edle Jachten, flotte Musikdampfer, schnelle Kreuzer und rasante Teeklipper. Und man kann feststellen, dass nicht einfach nur die jungen Baujahre die schönsten Linien haben. Konventionelle und langjährig bauerprobte Linienführungen können den Geübten wirklich noch mehr begeistern. Wenn z. B. der Außenhaut auffüllende Babyspeck abgewirtschaftet ist, kommen ganz andere Muskelbilder zum Vorschein, die Michelangelo wohl entzückt haben würden, heutige Maler aber auch. So kreuzte da eine bildhübsche Brigantine auf, bei deren Erschaffung der Liebe Gott ein wirklich glückliches Händchen gehabt hatte. Vom obersten Halswirbel bis zu den Fersen und auch dazwischen der Rumpfbereich sehr gut im Design. Der distinguierte englische naval architect würde sagen, extremly well shaped. Auch die Brüste zart und nicht wie altersentsprechend manchmal vorzufindende Milchgallonen. Auch nicht wie bei jungen Mädchen einfach wie mit Sand- kastenkuchenförmchen hingesetzte Rundstücke, die arrogant die Erdanziehung ignorieren. Souverän und silikonfrei den Dingen ihren natürlichen kleinen Hang gewährend, ergeben sich wieder neue, sehr reizende Kurvenpaare, wie sie mit dem Hamburger Kurvensatz nicht leicht nachzuzeichnen sind. Ja und da stellt sich bei einem gesunden Schiffbauer die Überlegung ein: Diese Brigantine, wie sieht die wohl aufgeriggt (sprich angezogen) aus? Gewöhnlich geht diese Vorstellung ja in die umgekehrte Richtung. Hier aber könnte sich ja noch eine Steigerung der Schönheit einstellen nach der Regel: Männer lieben leicht verhüllt. Oder wie der Maler es anlegt, dass das Auge des Betrachters im selbständigen Prozess das Bild vervollständigt. Man wird also beim Frühstück, zu dem sich fast alle Gäste im Restaurant treffen, mal die Müslitheke im Auge behalten. Und schon treten Schwierigkeiten auf. Wie sah die Brigantine denn eigentlich sonst aus? Schon die Rückbesinnung auf die Haarfarbe war nicht einfach. Halt doch ja, da.. da war sie schwarz. Und der Gang, barfuss geht man anders. Ein etwas höherhackiger Schuh wirkt sich auf die Beckenbodenmuskulatur aus und sorgt für einen königlichen Gang, der sich (man kennt das von Schiffs- Taufpatinnen) nur durch gekonntes Tragen eines Hutes noch steigern lässt. Leider, leider ist dieser Erfahrungsschatz nicht vollständig zu ergattern gewesen. Was lernt der stets erfahrungsbegierige Schiffbauer daraus? Wenn man jemanden angezogen wieder erkennen will, den man zuvor nur nackt gesehen hat, dann sollte man sich das Gesicht einprägen!