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Das Dampfschiff kommt an den Rhein
Mit dem 14. September 1825 erlebte die Stadt Koblenz einen Freudentag; für die Rheinschifffahrt erlangte dieser Tag die Bedeutung einer Wendemarke. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. beehrte die Stadt mit seinem Besuch und ließ sich zu einer Fahrt mit dem gerade neu erbauten Dampfschiff DE RIJN einladen. So wird berichtet, dass „...am Morgen bei freundlichem Wetter der König mit viel Gefolge an Bord kam, unter Hurra der Matrosen und dem Tusch der schon auf dem Schiffe aufgestellten Kapelle. Die an den Ufern und auf der Brücke stehende Menge ließ vielfältigen Jubelruf erschal- len, während das Schiff drehte und die Fahrt zu Tal auf- nahm. Pfeilschnell flogen die schönen Ufer auf beiden Seiten mit ihren hohen Bergkuppen vorbei. Zuerst nahmen Se. Majestät und die Prinzen die kunstreiche Maschine in Augenschein und bewunderten die große Kraft derselben. Allein nicht lange konnte der König dabei verweilen, denn es erscholl von beiden Ufern der Jubelruf der versammelten Menge, und der frohe Ausdruck so vieler Tausender bewegte das königliche Herz. Es war das erste Mal, dass ein preußischer König seine Untertanen auf dem rechten und auch auf dem linken Ufer des Rheins grüßen konnte."
Lebhaftes Treiben entsteht am Rheinufer von Kob-lenz, als im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts die Dampfschifffahrt auf den Rhein kommt. Handel und Verkehr, die heimische Wirtschaft und die einträglichen Beziehungen zu fernen Regionen blühen auf. Rheinreisen gehören zur fortschrittlichen Le-bensart.
Große Freude über diese Fahrt herrschte auch bei den Kölner Kaufleuten. Die Handelskammer hatte das Dampfschiff von den Niederländern gemietet, um eine Versuchsfahrt bis nach Kehl durchzuführen, und diese Fahrt war so erfolgreich, dass nunmehr alle Zweifel an der Nützlichkeit der Dampfkraft vertrieben waren. Das Dampfschiff war nun auch auf dem Rhein als technisch möglich und als betriebssicher anerkannt. Die neu gegründete Preußisch -Rheinische Dampfschifffahrt Gesellschaft konnte in eine erfolgreiche Zukunft blicken. Dazu meldete die Kölnische Zeitung vom 6.10. 1825, dass „...Seine Majestät der König geruhet haben, Allergnädigst die Erlaubniß zu gewähren, dem Dampfschiffe, dessen sich Allerhöchst-dieselben zur Rheinreise bedienten, den Namen Seiner Majestät beilegen zu dürfen, da der König die Anstrengungen der Gesellschaft für die Belebung des Handels und der Schifffahrt auf dem Rhein mit Wohlgefallen erkenne." Die Dampfschifffahrt auf dem Rhein konnte nun endlich ihren Lauf nehmen, endlich, nachdem man doch in Koblenz schon 8 Jahre zuvor, also 1817, das erste Dampfschiff bestaunt und nachdem bereits 1816 das erste Dampfschiff den Rhein befahren und Köln erreicht hatte. In anderen Ländern war das Dampfschiff bereits seit viel längerer Zeit bekannt, ja sogar wirtschaftlich eingeführt. Nun also konnte die Rheinschifffahrt den Anschluss an diese umwälzende Technik finden.
Das Dampfschiff wird erfunden
Das Dampfschiff war kein Kind einer Entwicklung, wie sie speziell und vordringlich für die Schifffahrt auf dem Rhein erforderlich gewesen wäre. An vielen Orten regte sich erfinderischer Geist, um die moderne, so bewundernswert leistungsfähige Dampfmaschinentechnik als Schiffsantrieb zu verwenden. Es galt, die unzuverlässige Energie des Windes oder die teuere Kraft der Pferde zu ersetzen. Gleichzeitig konnte man diese konzentrierte Leistung von vielen Pferdestärken nutzen, um die Schiffe größer zu bauen bzw. auf den schmalen Binnenwasserstraßen Schiffe zu Schleppverbänden zusammenzu-koppeln. Mit solchen Ideen beschäftigte sich der amerikanische Kunstmaler und spätere Ingenieur Robert Fulton. In England entwarf er 1796 Verbesserungsvorschläge für die dortige Binnenschifffahrt. Auf einem weitverzweigten Wasserstraßennetz wollte er den größten Teil des ganzen binnenländischen Transportaufkommens mit langen Schleppverbänden bewältigen, die von dampfgetriebenen Schleppern gezogen werden sollten. Die Umsetzung eines solchen Gedankens war jedoch die Arbeit von Generatio- nen, so dass Fulton sich zunächst auf die Bewältigung des Kernproblems konzentrieren musste: auf die Erfindung des Dampfschiffes selbst. Die Idee, ein Dampfschiff zu schaffen, reicht weit zurück in den Beginn jener Zeit, die man die Epoche der „Aufklärung" nennt. Mit dem aufkommenden Mut, sich des Verstandes zu bedienen, kam es zu grundlegenden Einsichten in physikalische Zusammenhänge, die sich Schritt für Schritt in nutzbare Technik umsetzen ließen. So stand es elitärer Gelehrsamkeit wohl an, sich um technischen Fortschritt zu bemühen, wie es von den Bestrebungen des Erfinders des Dampfkochtopfes Denis Papin überliefert ist. Sein 1707 auf der Fulda erprobtes Schaufelradschiff - „, ein Schiff von besonderer Invention" - sollte mit Dampf angetrieben werden. Zu Versuchen kam es nicht: Mündener Schiffer zerschlugen die aufkeimende Konkurrenz, noch bevor sie technisch realisiert werden konnte. Da musste 1710 zunächst erst einmal eine funktionierende Kolbendampfmaschine von Newcomen erfunden werden. Allein diese erste Umsetzung der Idee, die feindlichen Elemente Feuer und Wasser zur Arbeit zu nutzen, war noch unbrauchbar für den Antrieb eines Schiffes. Im Schiff musste eine solche Maschine viel leichter sein, musste viel schnellere Bewegungen durchführen und durfte vor allem nicht solche Unmengen an Brennstoff verbrauchen. Wenn auch 1736 Jonathan Hulls ein englisches Patent für ein Dampfschiff erhielt, so reichte es nur dazu, dass er als Dummkopf verspottet wurde. Noch 1753 rechnete der Gelehrte Bernoulli vor, dass ein Schiff mit Dampf angetrieben nicht schneller als 2 Knoten laufen könne. Da musste erst James Watt 1764 wesentliche Verbesserungen an der Dampfmaschine ersinnen, um sie leichter und leistungsfähiger zu machen. 1774 erfand Watt dazu noch den doppeltwirkenden Zylinder, um den Dampfantrieb im Schiff denkbar zu machen, und doch hielt er selbst noch 1789 Versuche mit Schiffsantrieben für Zeitverschwendung. Nun, Watt war ja auch vollauf damit beschäftigt, die englischen Kohlengruben mit seinen Dampfpumpen zu entwässern, und das Patent für den Kurbeltrieb, den man im Schiffsantrieb brauchte, hatte Watt nicht, das lag bei einem Knopfmacher. Die herangereifte Dampfmaschine dann schließlich mit dem Schiff zusammenzubringen, also das Dampfschiff zu „erfinden", das war dann wieder eine leidvolle Geschichte für sich. 1773 baute der Amerikaner Henry eine Dampf- maschine in ein Schiff, das sofort sank. Der französische Graf d'Auxiron versuchte es 1774: Das Schiff sank vor der Probefahrt. Seinem Landsmann Pér-rier gelang es, mit einer kleineren Maschine die Schwimmfähigkeit seines Versuchsschiffes zu erhalten, doch überwand es 1775 nicht die Stromgeschwindigkeit der Seine. Der Marquis d'Abbans schaffte erst 1783 mit seinem „Pyroscaphe" (= Feuerschiff) eine 15-minnütige Bergfahrt auf der Saône. Wegen unstandesgemäßen Benehmens verweigerte ihm sein Vater daraufhin das Erstgeburtsrecht. Viel Energie wendete der Amerikaner John Fitsch zum Bau eines Dampfschiffes auf, und dann auch 1786 zur Gründung der „Steamboat Company". Er wollte den amerikanischen Westen mit Dampfschiffen erschließen, hatte gar die Vision einer Atlantiküberquerung, scheiterte aber wirtschaftlich. Der technische Aufwand war noch zu hoch. Fitch hinterließ bei seinem Selbstmord die Er-kenntnis: „Es gibt zwei Übel, die auf einen Mann von Gefühl äußerst peinigend wirken: Das eine ist eine zänkische Frau und das andere der Trieb, Dampfschiffe zu erfinden." Neben anderen glücklosen Versuchen sei hier noch der erste wenigstens technisch gelungene Bau des Dampschiffes CHARLOTTE DUNDAS erwähnt. Der Engländer Symington, der zwar 1788 schon einmal gescheitert war, baute 1802 (nach Ablauf der Wattschen Paten-te) diesen Schleppdampfer für den Forth-&-ClydeKanal. Nach erfolgreichen Fahrten musste das Schiff jedoch stillgelegt werden, weil die Kanalgesellschaft befürchte-te, dass der Wellenschlag des Schiffes schädlich sei. Eine Einstellung, die sich bei den Wasserbauern als erblich erwies. Doch war inzwischen die Zeit reif geworden zur endgültigen Erfindung des Dampfschiffs. Nach detaillierten technischen Berechnungen und systematischen Modellversuchen schaffte Robert Fulton 1803 mit einem Versuchsschiff auf der Seine den Durchbruch. Das „Journal des Débats" berichtet am 9. August von der Fahrt des kuriosen Schiffes mit der Feuermaschine und den Karrenrädern das mit der Geschwindigkeit eines eiligen Fußgängers zwei Kähne auf der Seine schleppte und prophezeite die vorteilhaftesten Folgen für die Bin- nenschifffahrt.
Die erste erfolgreiche Umsetzung der Dampfschiffs-idee gelang dem Amerikaner Robert Fulton, der mit diesem Schiff 1803 auf der Seine einem staunenden Pariser Publikum ein besonderes Spektakel bot. Nachdem auch ab 1807 der wirtschaftliche Betrieb mit dem Dampfschiff CLEREMONT bewiesen war, konnte diese technische Neuerung auf allen schiffbaren Gewässern der Welt Einzug halten. Auf dem Rhein war ein Dampfschiff erstmals 1816 zu sehen.
Fulton gelang dann auch als erstem ab 1807 die erfolgreiche wirtschaftliche Nutzung der Dampfschifffahrt mit dem Bau und Betrieb der berühmten CLERMONT auf dem Hudson- River. In kurzer Folge (wegen der kurzen Patentlauf-zeiten) baute Fulton noch 16 weitere Dampfschiffe für verschiedene amerikanische Flüsse. Er blieb nicht lange allein. Andernorts bauten auch andere fortschrittliche Männer Dampfschiffe. Als 1825 anlässlich der Königsfahrt die Dampfschifffahrt auf dem Rhein zum Durchbruch kam, waren in England und Schottland bereits über 160 Dampfschiffe gebaut worden. Von England aus flutete die neue Technik zu allen schiffbaren Gewässern des Kontinents.
Bedingungen für eine Dampfschifffahrt
Nun waren zur Einführung der Dampfschifffahrt nicht nur eine geeignete Maschine und das technische Wissen um eine richtige Auslegung des Antriebsorgans (ursprünglich ausschließlich das Seitenrad) erforderlich, womit man die neue Technik einfach auf ein irgendwie geeignetes Schiff aufbauen konnte. Es musste sich ein weites Umfeld an Randbedingungen z. T. grundlegend umstrukturieren, damit das Dampfschiff erfolgreich in Betrieb gehen konnte. Da war zunächst die Herstellung einer schiffsge-rechten Maschine an die Anforderungen gebunden, dass sie klein und leicht war und dass sie eine hohe Betriebssicherheit gewährleistete. Guter Stahl war erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts zu erhalten, als man in der Roheisengewinnung das Holz durch Kohle ersetzte. Dies konnte jedoch erst gelingen, als es bessere Dampfmaschine für die Grubenentwässerung gab, womit eine Massenausbeute der Kohle ermöglicht wurde. Man muss sich vergegenwärtigen, dass es in England Kohlengruben gab, die bis zu 500 Pferde hielten, um ihre Entwässerungspumpen anzutreiben. In dieser Zeit wurden überall die Wälder abgeholzt, und das nicht nur für den Bau von Häusern und Schiffen, sondern auch als Brennmaterial insbesondere bei der Stahlerzeugung. Es war die Zeit als die großen Holländerflöße den Rhein hinabtreiben, in Größen von etwa 15.000 Kubikmeter wertvollen Eichenholzes für den holländischen und englischen Bedarf. Mit dem besseren Stahl, mit gleichzeitig verbesserten Bearbeitungsmaschinen ließ sich schon eine leichte Dampfmaschine bauen; aber eine gute Qualität, die auch bezahlbar sein musste, setzte eine serienmäßige Fertigung in einer Fabrik voraus. Hierzu brauchte man gut ausgebildete Fachkräfte, nicht landflüchtige Bauern, entlassene Soldaten, Arme, Kranke und Waisenkinder aus der Gemeindefürsorge, wie sie damals in Fabriken für Hungerlöhne schufteten. Hier war also ein technologischer sowie ein sozialer, arbeitsethischer Prozess er-forderlich, um die wirtschaftliche Herstellung der Maschine überhaupt in Gang zu bringen. Das Dampfschiff wurde aber nicht als Selbstzweck, für Königsreisen oder zur Volksbelustigung gebraucht, es musste seinem Betreiber auch noch einen wirtschaftlichen Ertrag verschaffen. Vor der Kutsche und auf ausgebauten Treidelpfaden war die Konkurrenz des Pferdes nicht so leicht zu schlagen. So ist es nicht ver-wunderlich, dass der wirtschaftliche Durchbruch zuerst dort gelang, wo es keine Treidelpfade gab, am Hudson- River. Von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit war für den Betreiber auch die Bedin- gung, dass er für den Betrieb einer Dampfschifffahrt auf einer bestimmten Wasserstraße ein Exklusivrecht erhalten konnte. Die ersten französischen Versuche zielten bewusst auf ein königliches Privileg ab, zu dessen Erwerb z.B. d'Abbans einen so hohen Einsatz ris-kierte, dass er einen Flügel seines Stammschlosses abreißen ließ, um das Holz für ein Versuchsschiff zu benutzen. Aber Privilegien waren herrschaftliche Gna-denakte, die nicht so leicht zu erhalten waren. Es bedurfte erst jenes Gedankengutes der englischen Nationalökonomie und der menschlichen Grundrechte, die in der französischen Revolution durchgesetzt wurden, nach denen einem Erfinder ein Recht auf den Schutz seiner Erfindung zustand. Erst damit wurde es wirtschaftlich attraktiv, sich mit der Erfindung des Dampfschiffes zu beschäftigen. Gleichwohl konnte ein Exklusivrecht oder Patentschutz die Wirtschaftlichkeit nur stützen, nicht erset-zen. Bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts hatte sich im schroffen Gegensatz sowohl zum alten Zunft- und Monopolgeist als auch zur Beute- und Ge-waltidee ein neuer bürgerlicher Geist entwickelt, der wirtschaftliche Unternehmungen auf eine ganz andere Grundlage stellte. Hatten die alten Gewerbeprinzipien auch bei bedächtiger Arbeitsweise noch ausreichenden Ertrag gebracht, lernte man nun den Grundsatz schät-zen: „Time is money". Die „heilige" Wirtschaftlichkeit wird oberster Grundsatz. Der neue bürgerliche Geist findet seinen Rückhalt in der protestantischen Ethik, in der Berufsidee des Puritanismus. Der damit allgemein einsetzende Zwang zu höhern Wirtschaftlichkeit förderte zwar den Drang, das Dampfschiff zu bauen, setzte aber auch die Schwelle seiner sinnvollen Realisierung hoch. Dazu kam, dass der Bau eines Dampfschiffes einen ungleich höheren Kapitaleinsatz erforderte als der privatwirtschaftlich leichter realisierbare Bau eines Se-gelschiffes. Es mussten sich also auch neue Formen des Unternehmertums entwickeln. Ganz wichtig für den Betrieb eines Dampfschiffes war die Versorgung mit Brennstoff. Zum einen musste die Maschine so weit ausgereift sein, dass der Verbrauch für eine bestimmte Strecke nicht so groß war, dass keine Zuladung mehr möglich war. Erst die Watt'sche Maschine, die mit einem Fünftel des früheren Brennstoffverbrauches auskam (Watt war Schotte!), konnte überhaupt in Betracht kommen. Für lange Fahr-strecken, besonders im Strom, waren zudem auf Zwischenstationen Kohlenniederlagen einzurichten. Ein dauernder Betrieb von Dampfschiffen erforderte somit auch die Schaffung einer Infrastruktur für seine Versorgung.
Die ersten Dampfer auf dem Rhein
Waren nun diese allgemeinen Randbedingungen soweit eingetreten, dass man grundsätzlich ein Dampfschiff bauen und betreiben konnte, dann musste man für die Einführung der Dampfschifffahrt auf dem Rhein auch noch die hier gegebenen schifffahrtspezifischen Besonderheiten berücksichtigen. Erste und wichtigste Bedingung für die Einführung der Dampfschifffahrt war der Bedarf an Schiffsverkehr überhaupt. Und dieser befand sich nach Berichten des Kölner Rheinkommissars Nollen aus dem Jahr 1825 für die Zeit vor 1774 noch in „hilfloser Kindheit". Als die Schifffahrt nach 1775 durch zunehmende Konsumtion der Kolonial-Produkte einen ansehnlichen Zuwachs erhielt, war sie fest in der Hand der Schiffergilden, die von sich aus nicht auf die Idee der Dampfschifffahrt kamen. In den Jahren 1793 bis 1797, als man in England mit ausgereifter Maschinentechnik und in Amerika unter großem Bedarfsdruck fleißig an Dampfschiffen ar-beitete, war die Rheinschifffahrt fast völlig zum Erliegen gekommen. Die Aufhebung der alten Zünfte und die Einführung der Gewerbefreiheit kamen am Rhein zunächst nicht zur praktischen Auswirkung. Mit der Verschiebung der französischen Grenze an den Rhein wurde das linke Rheinufer wirtschaftlich gelähmt. Die Abschaffung der zahlreichen Zollstellen, die sich in der Zeit der Kleinstaaterei ergeben hatten, brachte wohl eine Erleichterung. Da nunmehr aber eine Octroi-Gebühr erhoben wurde, war die Entlastung nicht gra-vierend, es herrschte nur eine bessere Ordnung - und weniger Korruption. Auch die Kontinentalsperre brachte Hemmnisse für die Schifffahrt, so dass sie dann in den Kriegswirren 1812/13 ihren Tiefpunkt erreichte. Da lief das Dampfschiff in England und Amerika bereits unumstritten auf gewinnträchtigem Kurs. Wenn man sich auch schwer tut, einen Fluss zu bestimmen, an dem die Wiege des Dampfschiffes stand, der Rhein war es nicht. Das Dampfschiff musste sich schon auf den Weg machen, um zum Rhein zu kommen. Und wenn es zu dieser Zeit auch den ersten Kinderschuhen entwachsen war, auf dem Rhein musste es richtig laufen lernen, hier wurde es nicht ohne Bewährung angenommen. Das erste Erscheinen eines Dampfschiffes auf dem Rhein - der Name ist nicht zuverlässig überliefert und wird an manchen Stellen mit THE DEFIANCE angegeben - wird am 12. Juni 1816 in Köln registriert. Die Kölnische Zeitung berichtet: „Ein ziemlich großes Schiff kam mit ungemeiner Schnelle herauf gefahren. Die Ufer, der hier vor Anker liegenden Boote waren in einem Augenblick von der herbeiströmenden Menge bedeckt. Das die allgemeine Neugierde reizende Schiff war ein von London, wo es gebaut worden war, nach Frankfurt fahrendes englisches Dampfboot. Auf den ersten Blick staunt man über die Gewalt der Dämpfe, welche die Kraft der Ruder ersetzen, doch Lissabons und Calabriens Zerstö-rung, die Ausbrüche der Vulkane sind Beweise, die uns über die Allgewalt des Wassers, wenn sie mit dem Feuer gattet, mit Grauen erfüllen, die Kraft der Dampf-maschine, die auf demselben Grunde ruht, und deren Vervollkommnung verdankt man dem an tiefe dem Deutschen verwandten Genius des Briten. Jedermann wollte den inneren Bau dieses Wunderschiffes und die Kraft erforschen, welche dasselbe in Bewegung setzen. Es sind drei Innenräume vorhanden, je vorne und hinten ein Wohnzimmer, und in der Mitte ein Feuerherd samt den Brennstoffen. Der Feuerherd ist oben mit Steinen zugedeckt, brennt beständig und verwandelt das siedende Wasser in Dämpfe, welche die Walze treiben, die an jedem ihrer Enden ein Rad mit acht Schaufeln hat. Bloß hierdurch in Bewegung gesetzt, kommt das Schiff bei der jetzigen starken Wasserhöhe gegen die heftigste Strömung schneller herauf, als es von Pferden gezogen werden könnte.“
Impression der Ankunft eines der ersten Dampfschiffe in der Gebirgsstrecke des Rheintales.
Die Bevölkerung am Rhein hatte damit einen ersten Eindruck von jenem schiffstechnischen Fortschritt bekommen, über den Reisende und Zeitungen schon berichtet hatten. Neben der beeindruckenden Tüchtigkeit des Schiffes ist doch auch eine gute Portion Misstrauen gegenüber der neuen Technik überliefert. Ein zweites Schiff kam ein Jahr später wieder von England über Antwerpen herauf zum Rhein. Es war die CALE-DONIA, die von James Watt jr., dem Sohn des Dampf-maschinenbauers, geführt wurde. Nun hatte am 13.11.1817 auch Koblenz die Ehre, Endstation der Er-probungs- bzw. Vorführungsfahrt eines Dampfschiffes auf dem Rhein zu sein. Auch dieses Schiff konnte mit seinem Dampfantrieb noch nicht recht überzeugen, es hatte für die letzte Strecke Pferde zu Hilfe nehmen müs-sen. Die Bemühungen der Engländer, bei der preußischen Regierung eine Konzession für ihre Dampfschiffe auf dem Rhein zu erhalten, wurden abgewiesen: Die Preußische Schifffahrt brauche die Dampfer nicht, und im übrigen sei die Brauchbarkeit der Dampftechnik ganz und gar nicht bewiesen. Damit dampfte am preußischen Rhein erst einmal für einige Jahre nichts mehr. Die niederländischen Schifffahrtstreibenden fanden nach einiger Zeit den vorgeführten Fortschritt doch nicht so unbrauchbar und begannen Dampfschifffahrtsgesellschaften zu gründen und selbst Dampfschiffe zu bauen. Mit den Dampfern DE HOP VAN ANTWERPEN, DE NEDERLANDER und JA-MES WATT sammelte man Erfahrungen, anfangs nicht gerade die besten, später aber doch solche, die die Kölner Kaufleute aufhorchen ließen. Als die Nederlandsche Stoomboot-Maatschappij (NSM) im Jahre 1824 auf ihrer eigenen Werft in Feyenoord bei Rotterdam das Dampfschiff DE ZEEUW baute, drängte der Kölner Handels-stand, sich mit 50 Aktien zu beteiligen. DE ZEEUW führte unter der Leitung des Erbauers Roentgen eine Reihe voll erfolgreichen Versuchen durch und schaffte bei hohem Wasserstand die Fahrt his ins Wilde Gefähr bei Kaub. Nachdem dann auch die Schiffe STAD NIJMEGEN und HERCULES der gleichen Gesellschaft 1825 ihren Dienst aufgenommen hatten, konnten es die Kölner wagen, mit dem angemieteten nächsten Neubau der NSM DE RIJN die bereits erwähnte überzeugende Vorführung für den König zu arrangieren. Dessen Zufriedenheit und daneben natürlich auch die anschließend durchgeführte erfolgreiche Versuchsfahrt bis Kehl wurden zum allgemein anerkannten Signal, das die Dampfschifffahrt auf dem Rhein eröffnete.
Das niederländische Dampfschiff DE RIJN - auf dem Bild vor Mainz - wurde 1825 von der Kölner Handelskammer angemietet, um erste Erprobungsreisen auf dem Rhein durchzuführen. Der preußische König Friedrich III. fuhr mit diesem Dampfschiff von Koblenz nach Köln und lobte die Initiative zur Einführung der Dampfschifffahrt auf dem Rhein.
Die Dampfschifffahrt etabliert sich
Der erste Dampfer aus dem Aktienkapital der Preußisch-Rheinischen Dampfschifffahrtsgesellschaft war FRIEDRICH WILHELM, der auf seiner ersten Dienstfahrt im Mai 1827 die Königin von Württemberg von Mainz nach Rotterdam brachte. Noch im gleichen Monat wurde - wieder von der NSM erbaut - der Dampfer CONCORDIA in Dienst gestellt, der sofort einen regelmäßigen Verkehr nach Mainz aufnahm. Von Köln ging es sonntags sechs Uhr, mittwochs fünf Uhr früh nach Koblenz, montags und donnerstags um vier Uhr ab Koblenz. Dienstags und freitags morgens um sechs Uhr konnte man von Mainz in zehn Stunden nach Köln fah-ren, Mit beiden Dampfern ließen sich dann vier regelmäßige Fahrten in der Woche ausführen. Damit kam man im ersten Betriebsjahr auf insgesamt 129 Reisen, bei denen 403 Wagen, 55 Pferde, 83.292 Zentner Güter und 33.352 Passagiere zu Berg und zu Tal befördert wurden. Die Dampfschifffahrt hatte sich etabliert. Weitere Gesellschaften waren gegründet worden und nahmen ihren Dienst auf. Der Reisende fand in Mainz Anschluss an die Oberrheinschiffe. Von Köln aus konnte man nach Rotterdam fahren, mit Anschluss an die Ka-naldampfer nach London. Die Schifffahrtsgesellschaften hatten gute Einnahmen zu verzeichnen, konnten in schneller Folge neue Schiffe bauen, jedes neue Schiff, jede neue Dampfmaschine war wieder etwas besser als die vorhergegange-ne. Der Bedarf an Schiffstransporten wuchs, die Rheinromantik lockte viele Reisende an den Strom. Bereits 1840 konnte die Preußisch- Rheinische Gesellschaft die Beförderungszahl von 500.000 Personen pro Jahr überschreiten.
Roll on/Roll off-Verkehr wird vom Beginn der Dampfschifffahrt auf dem Rhein betrieben. Dies zeigt die Überlegenheit des Dampfschiffes gegenüber der Kutsche. Im ersten Betriebsiahr der Preu-Bisch-Rheinischen Dampfschiffahrtsgesellschaft zu Köln wurden schon über 30.000 Passagiere und 80.000 Zentner Güter und 400 Wagen auf der Strecke Köln-Mainz fahrplanmäßig transportiert.
Etwas schwerer tat man sich in einer anderen Sparte der Schifffahrt, im reinen Güterverkehr. Hier musste eine Trennung zwischen Lastträger und An-triebsschiff erfolgen, der Schleppzug war die folge-reichste Technik. Erste Versuche dazu waren nicht auf Anhieb erfolgreich. Schon 1824 hatte man mit dem DE ZEEUW vor Köln Schleppversuche mit einem 2000 Zentner großen Segelschiff unternommen. Der Dampfer hatte mit 45 PS zwar die Kraft aufgebracht, das Schiff zu schleppen, allerdings mit einen bedrückend hohen Aufwand an Zeit und Kohlen. Da das Dampfschiff auch noch Personalkosten für 23 Mann Besatzung aufwenden musste, blieben erste Begutachtungen negativ. Die Segelschiffer selbst hatten auch kein Interesse an einer technischen Verbesserung ihres Betrie-bes, die zu einer höheren Fahrgeschwindigkeit geführt hätte. Sie hätten nach dem Löschen der Ladung nur länger auf eine neue Reise warten müssen, an ein zusätzliches Ladungsaufkommen war nicht zu denken. Mit der Indienststellung des Dampfers HERCULES der NSM, der mit 2 Maschinen 180 PS Leistung hatte, entschlossen sich einige Rotterdamer Schiffer auf dem Niederrhein ihre Schiffe bis zum Beginn des Leinpfades in Lobith schleppen zu lassen, statt zu segeln. Doch bald wurde dies wieder aufgegeben, und die Gesellschaft war nicht unzufrieden, konnte sie doch mit dem Einsatz des Dampfers als Ladung tragendes Frachtschiff rentabler arbeiten. Die Schleppschifffahrt trat nun für längere Zeit in den Hintergrund. Erst Mathias Stinnes, der als gelernter Schiffer für sein Kohlengeschäft seit 1810 eine kleine Flotte von Kohleaaken aufgebaut hatte, griff den Gedanken der Schleppschifffahrt wieder auf. 1820 verfügte sein Unternehmen bereits über 66 Kohlenschiffe auf Ruhr und Rhein. Als er den Absatz von Ruhrkohle nach Holland gefährdet sah, weil Belgien, Brabant und England billigere Kohlen liefern konnten, sann er auf eine Verbilligung durch einen beschleunigten und umfangreicheren Transport auf dem Rhein. In einer Eingabe an die preußische Regierung umriss Stinnes 1839 die Situation der Frachtschifffahrt so: „Ein Haupthindernis für die Rheinschifffahrt zu Berg ist unstreitig das kostspielige, langsame und öfteren Unterbrechungen unterliegende schleppen der Schiffe mittelst Pferden. Der Pferdelohn dafür ist ungemein hoch, der Verschleiß an Tauwerk exorbitant, durch seine lange Dauer wird an Schiffsmie-te und Schiffslöhnen viel verloren, und so wie der Rhein wächst und den Leinpfad erreicht, liegt sogar das ganze Geschäft still und untätig danieder. Diesen großen Übelständen ist jedoch durch die Anwendung von Schleppdampfern abzuhelfen, indem dadurch die Schifffahrt wohlfeiler, geregelter und sicherer betrieben werden kann.. Nachdem er die Vorteile der Dampf- schleppschifffahrt und ihre Kosten genau und mehrfach berechnet hatte, ist er .endlich dazu übergegangen die Anlieferung eines eisernen Schleppers für den eigenen Gebrauch mit den Dampfboot-Erbauern Dicht-born & Marie in England zu contrahiren. Das Boot wird so kraftvoll gebaut sein, um in einer Zeit von 14 Stunden zwei Kohlenschiffe von Ruhrort nach Cöln bugsiren zu können. Da mein Kohlengeschäft so ausgedehnt ist, dass ich allein dies Schleppboot ständig beschäftigen kann, so werde ich durch den Gebrauch desselben in den Stand gesetzt werden, die bisher so bedeutenden Frachten auf dem Rheine ansehnlich zu ermäßigen; ... Das wäre also ein wichtiger Schritt zur einstweiligen Erreichung des vorbemerkten Zieles: Erhaltung des Steinkohlenbergbaues an der Ruhr." Diese unternehmerische Weitsicht führte für ein ganzes Jahrhundert zu der vorgezeichneten Bedeutung der Ruhrkohle und der Rheinschifffahrt. Robert Fultons Vision des dampfgetriebenen Schleppzuges wurde durch Mathias Stinnes zur richtigen Zeit durchgesetzt. Dabei musste Stinnes zunächst sogar einen Rückschlag hinnehmen, der englische Dampfer war mit 80 PS zu schwach und unrentabel. Doch Stinnes bestellte sofort einen neuen, stärkeren Schlepper in Rotterdam, der ab 1844 unter dem Namen MATHIAS STINNES I seinen Dienst aufnahm. In dem Bericht der Zentralkommission für das Jahr 1845 hieß es: „Der Kohlenwerkbesitzer Mathias Stinnes aus Mühlheim an der Ruhr hat zum Transport seiner Kohlen ein großes Dampfschleppschiff von solcher Kraft bauen lassen, dass es am 8. August 1845 auf einmal 10 Kohlennachen mit 40.000 Ctr. Durch die Cölner Brücke geschleppt hat." Dieser erste taugliche Schleppdampfer auf dem Rhein mit 750 „nominellen" bzw. 350 „effektiven" PS prägte das zukünftige Bild der Radschleppdampfer auf dem Rhein. Die Schifffahrt trat in eine ganz neue Phase ihrer Entwicklung, sie wurde zu einem bestimmenden Faktor der Schwerindustrie auf Rhein und Ruhr.
Die Dampfschiff verändert die Schifffahrt
War der Beginn der Dampfschifffahrt auf dem Rhein als langsamer Einführungsprozess zu sehen, der zwar notwendig war, sich aber nicht von selbst aus den Gegebenheiten am Rhein heraus entwickelte, so ist es nicht verwunderlich, dass diese neue Technik hier nun strukturelle Änderungen im Gesamtsystem Schifffahrt nach sich zog. Die Beschlüsse des Wiener Kongresses zur Freiheit der Schifffahrt auf dem Rhein waren zunächst ohne Wirkung geblieben. Die Dampfschifffahrt brauchte jedoch diese Freiheit, um ihre Wirtschaftlichkeit voll zur Wirkung bringen zu können. Sie geriet in Widerstreit zu veralteten Ordnungen und stellte sich in den Dienst jener Kräfte, die nach höherer Wirtschaftlichkeit im freien Wettbewerb strebten. 1831 wurde die Rheinschifffahrtsakte verkündet, die die Gewerbefreiheit durchsetzen und die Gilden und jahrhundertealten Umschlagrechte abschaffen soll-te. Der Schifferstand wehrte sich und glaubte, dass die jahrhunderte lange Erfahrung auf dem Rhein der neuen Technik überlegen sein würde. Bald jedoch reichten auch höchste Anstrengungen in der Treidelschifffahrt nicht aus, um mit der Leistungsfähigkeit der Schlepp-schifffahrt mitzuhalten. Die Dampfschifffahrt ließ sich auch nicht durch Rebellion zurückdrängen, auch nicht durch Kanonenschüsse, wie sie die Pferdehalter in Neuwied 1848 auf den Schleppdampfer MA- THIAS STINNES | abfeuerten. Das Dampfschiff zog seinen Weg auf dem Rhein. Freiheit, Recht und Ordnung ebnete diesen Weg. Gleich zu Beginn der Liniendienste wurde ein Po- lizeireglement für den Dienst der preußischen Rhein- dampfschiffe erlassen, um auch an Bord Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Hier wurde nicht nur gere-gelt, dass man seine Beine nicht auf die Sitzbänke legen durfte, es wurden auch strenge Sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Gefährliche Gegenstände wie Pulver, Vitriol oder Salzsäure, die etwa an Bord geschmuggelt worden waren, mussten im Entdeckungsfalle sofort über Bord geworfen werden. Hasardspiel war auf dem Schiff streng verboten, rauchen durfte man nur in der dritten und vierten Klasse sowie auf Deck, aber auch dies nur aus Deckelpfeifen. Die äußere Ordnung der bestehenden Schiff-fahrtssysteme konnte mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt nicht mehr beibehalten werden. Allein das Dampfschiff einzuordnen war mit beträchtlichen Schwierigkeiten verbunden. Die „große Fahrt", die den Transport zwischen den großen Städten Antwerpen, Rotterdam, Köln, Mainz und Straßburg versah, war durch Schiffergilden monopolistisch und als Rangschiff-fahrt organisiert. Sie hatte nicht die Reisegeschwindigkeit nötig, die das Dampfschiff bieten konnte. Die „klei-ne oder Intermediärfahrt", die den Warentransport zwischen den Umschlagplätzen erledigte, wurde von Kleinschiffern betrieben, die das Kapital für ein Dampfschiff nicht aufbrachten. Die dritte Form der Schifffahrt war die reine Personenschifffahrt, der die Jacht- und Postschiffe sowie die Wasserdiligencen angehörten. Hier war das Dampfschiff eigentlich zu groß, hatte aber noch die besten Möglichkeiten, sich wirtschaftlich ein- zuführen. Jedoch musste man zunächst noch Zugeständnisse an das alte System einräumen und eine territoriale Einteilung vornehmen, die praktisch den Fortbestand der alten Umschlagplätze bewahrte. Der Schleppschifffahrt blieb es vorbehalten, diese althergebrachten Strukturen zu überwinden, sie konnte die Freiheit der Schifffahrt einführen, die in der Rhein- schifffahrtsakte von 1831 vorgesehen war. Die Schleppschifffahrt brauchte die Freiheit der langen Stromstrecken, sie brauchte die großen Trans-portmengen, den schnellen Schiffsumlauf, da man mehr Löhne und größere Kapitaldienste erwirtschaften musste. Dazu bedurfte es aber auch anderer Unter-nehmensformen: Kapitalgesellschaften bildeten sich, die große Flotten von Dampfern und Schleppschiffen bauen konnten, die mit angestelltem Personal arbeite-ten, die Handel betrieben und Niederlassungen gründeten und die damit eine neue, umfassende Infrastruktur für die Schifffahrt hervorbrachten. Auch die Schiffstechnik kam nun in die Hand der Betreiber. Technisches Wissen wurde aus England und Holland importiert. In Ruhrort wurde von der Gutehoff-nungshütte (GHH), der Gewerkschaft von Jacobi, Ha-niel & Huyssen, eine Werft gebaut. Nach ersten Misserfolgen gewann man einen hohen technologischen Standard. In wichtigen Details wurden die Dampfmaschinen leistungsfähiger, betriebssicherer und sparsamer konstruiert. Mit dem Größerwerden der Schiffe erwuchsen auch höhere Anforderungen an deren Festig-keit. Man ging zum Eisenschiffbau über, der in England bereits erprobt war. Die Ruhrorter Werft der GHH lieferte 1838 mit dem GRAF VON PARIS den ersten eisernen Dampfer auf dem Rhein. Der Schiffsbetrieb auf dem Strom erforderte bald auch die Entwicklung der Wasserbaukunst. Für das Treideln der Segelschiffe war bislang nur der gut ausgebaute Treidelpfad erforderlich. Im Wasserbau hatte man am Niederrhein einige Hochwasserdämme errichtet sowie stellenweise Buhnen zur Regulierung des Fahrwassers. Die größeren Schleppschiffe, wie sie in den 40er Jahren immer häufiger gebaut wurden, waren nun nicht mehr von einem gut ausgebauten Ufer ab-hängig, sie brauchten tieferes Wasser, konnten auch das Ufer wechseln, um geringere Strömungs- verhältnisse auszunutzen. Mit der Größe der Schiffe und mit der Zunahme des Verkehrs wuchs die Notwen-digkeit, im Rheinlauf eine gute Schifffahrtsrinne herzu-richten. Zu ersten Arbeiten, gleich zu Beginn der Dampf-schifffahrt, gehörte die Sprengung von Felsen in der Binger-Loch- Barriere. Besonders umfangreiche Arbeiten mussten am Oberrhein geleistet werden, wo viele Flussarme nach jedem Hochwasser zu unbekannten Verlandungen führten, die die Schifffahrt stark behin-derten, Der Wasserbau-Ingenieur Tulla plante eine umfassende Rheinkorrektion. Zwischen 1817 und 1866 wurden dann insgesamt 18 Stromdurchstiche durchge-führt, der Rheinlauf wurde erheblich gekürzt und eine wesentliche Verbesserung der Wasserstände bewirkt.
1843 nahm Mathias Stinnes sein zweites Dampfschiff „MATHIAS STINNES I* in Betrieb. Ein erstes Versuchsschiff war unbefriedigend wegen zu geringer Leistung. Mathias Stinnes I, bald am ganzen Rhein der „Alte Mattes" genannt, tat 35 Jahre Dienst, bis er bei der Hochfelder Eisenbahnbrücke unterging.
Mit der Einführung der Dampfschifffahrt entstand ein völlig neues Bild der Schifffahrt auf dem Rhein. Die Kraft der Technik, die Freiheit des Gewerbes, die Gleichheit vor dem internationalen Reglement der Zent-ralkommission der Rheinschifffahrt, unternehmerischer Tatendrang, die Macht von Kapital und technischem Wis-sen, die große Zahl von Schiffen, Schiffern, Transportmen-gen, von geschleppten Tonnenkilometern, die große Zahl von Dampfschiffen prägten das Bild der Rheinschifffahrt. Dieses Bild veränderte sich über viele Jahre kaum. Von ihrem Beginn 1825 bis zum letzten Raddampfer OSCAR HUBER 1966, der zwar technisch noch in Ordnung war, aber wegen Unwirtschaftlichkeit stillgelegt wurde, hatten insgesamt 1.863 Dampfschiffe den Rhein durchpflügt. Mit der Entwicklung des Dieselmotors begannen Motorschiffe die Dampfer zu ersetzen. Seit 1924 wurden holländische Eilgüterboote mit Dieselmotoren ausgerüstet, 1929 wurde der erste Diesel-Radschlepper gebaut und viele Schrau-ben- Motorschlepper folgten. Unterbrochen durch den 2. Weltkrieg, entwickelte sich die Motorschifffahrt rasant. Schleppzüge sah man nun immer seltener. Mit dem Beginn der wirtschaftlicheren Schubschifffahrt auf dem Rhein, die die große Transportmenge der Schleppzüge mit wesentlich weniger Besatzung und auch viel schneller bewältigen konnte, hatten die Schleppdampfer endgültig ausgedient. Vergessen wird man sie nicht. Noch wird ein Perso- nendampfer betrieben, und zwar von der Nachfolgegesell- schaft jener 1825 gegründeten Preußisch-Rheinischen Dampfschiffahrtsgesellschaft, der heutigen Köln- Düsseldorfer Deutsche Rheinschiffahrt AG. Die 1913 gebaute GOETHE ist der letzte Raddampfer auf dem Rhein, ein Dokument für die Epoche einer grundlegenden Wandlung der Rheinschifffahrt. Begonnen hatte sie 1827, als der preußische König in Koblenz unter vielfältigem Jubelruf den Dampfer DE RIJN bestieg. Beendet wurde die Dampfepoche auf dem Rhein nun endgültig im Jahre 2009, als man an trüben Wintertagen auf der Kölner Schiffswerft die Dampfmaschine der GOE-THE ausbaute und den Radantrieb auf Diesel und Hydraulik umstellte. Der Dampfantrieb war unwirtschaftlich gewor- den. Literatur: Dresemann Aus der Jugendzeit der Dampfschiffahrt (1903). Weber/Linder Oldtimer der Rheinschiffahrt, Binnenschiffahrts-Verlag. Duisburg-Ruhrort. Weber In Alten Zeitungen geblättert - Köln 1698-1833 (1974) Lachard Die Rheindampfschiffahrt in Preußen im 19. Jahrhundert, Magisterarbeit Universität Straßburg (1985) Bündgen Die Personenschiffahrt auf dem Rhein (1986). Schmitt Robert Fultons erstes Dampfschiff (1986).