© Fischer- und Schifferverein Klingenberg e.V.
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100 Jahre Schiffsdiesel Davon 50 Jahre mit Fritz Hemberger
Alles begann mit einem fürchterlichen Knall. Es war ein Schlag wie ein Kanonenschuss. Dabei flog ein Indikator den Monteuren um die Ohren und die Werkshalle war plötzlich total verqualmt. Das war am 10. August 1893. Es war der erste Zündschlag eines Dieselmotors in einer Werkshalle der Maschinenfabrik Augsburg (heute MAN). Am 18.August 1893 hat dann der Motor seinen ersten selbstständigen Ruck getan, das theoretisch gefundene Prinzip war damit praktisch bewiesen. Vorangegangen waren rein wissenschaftliche Überlegungen zur Zündung durch erhitzte Gase und umfangreiche theoretische Studien und Berechnungen der Arbeit von Gasen in Zylindern, ausgeführt von einem gewissen Rudolf Diesel. Nach seinem Hochschulstudium an der TH München, das er mit 22 Jahren mit der besten Leistung seit Bestehen der Hochschule absol-vierte, war Rudolf Diesel zunächst in der Eismaschinenbranche von Linde angestellt gewesen und hatte sich intensiv mit der Wärmetechnik von Gasen beschäftigt. In theoretischen Ansätzen hatte er mit diesem Wissen einen Hochdruckverbrennungsmotor entwickelt und diesen 1892 zum Patent angemeldet. Doch erst nachdem eine einigermaßen brauchbare Einspritzpumpe angefertigt worden war und von einem zusätzlichen Kompressor vorverdichtete Verbrennungsluft eingeblasen wurde, lief der Motor nach vielen Einstellungsversuchen erstmals selbstständig und gab Leistung ab. Das war am 17. Februar 1894. Er lief eine Minute lang. Und machte 88 Um-drehungen. Es folgten vielfältige Untersuchungen in Richtung Einspritzung, Einbla-sung, Verdampfung, Benzin, Petroleum, Kohlestaub, Gas, Rohöl, Teer, Dichtungsprobleme, Temperaturprobleme, Einspritzpumpenprobleme .. Erst ab November 1895 konnten mit dem weiterentwickelten Ver-suchsmotor Dauerversuche durchgeführt werden. Einmal lief er gar 17 Tage lang in fabrikmäßigem Dauerbetrieb. Dann wurde umkonstruiert, alles neu aufgerissen. Die neue Maschine sprang 1896 sofort tadellos an. 1897 hatte man nach einigen Änderungen und Korrekturen der Einstellung einen funktionstüchtigen Motor. Kurz nach der Jahrhundertwende begann dann eine größere Verbreitung des Motors. Er hatte sich durchgesetzt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen dann auch die ersten Dieselmotoren aufs Wasser: In Frankreich wurde ein Kanalschiff motorisiert. In Russland wurden Dieselmotoren auf der Wolga und auf dem Kaspischen Meer eingesetzt. In Deutschland, Frankreich und der Schweiz kamen schon schnelllaufende umsteuerbare Zweitakt- und Viertaktmotoren zum Einsatz. Der Dieselmotor ist nun auch zum Schiffsdiesel mu-tiert. Das ist jetzt 100 Jahre her. 1912 erregte das erste große Motor-Seeschiff, die „SEELANDIA" durch seine erfolgreichen Fahrten im praktischen Reedereibetrieb weltweit aufsehen. Das war etwa 100 Jahre, nachdem Robert Fulton seine erfolgreichen Dampfer in Amerika entwickelt hatte. Und es war dies der Anfang vom Ende der Dampfschifffahrt. Auf dem Rhein ging die Entwicklung des Dieselmotors anfangs recht zögerlich voran. Für kleine Strecken waren Passagierboote das erste Feld für Motorisierung, doch da verwendete man zunächst noch den im Straßenfahrzeugbau gereifteren Benzinmotor. Hatte Stinnes 1912 noch ein Orderboot mit einem 4- Zylinder Benzinmotor ausgerüstet, ließ 1913 die WTAG in ein Schlepp- und Feuerlöschboot bei Meyer Papenburg einen 4-Zylinder Deutz-Diesel mit 75 PS einbauen. Im ersten Weltkrieg hatte man im Leistungsbereich für Binnenschiffe gute Erfahrungen gesammelt, mit der Entwicklung der U-Boots-Motoren. Dann kam in den 20-er Jahren auch die Weiterentwicklung der Einspritzpumpe durch Robert Bosch zum tragen, und schon beginnt der rasante Aufbau einer motorisierten Rheinflotte. Ein markanter Vorreiter war 1922 der Schlepper Franz Haniel XXVIII mit 1400 PS Antriebsleistung aus zwei 6- Zyl. MAN Motoren. Ab 1924 ließ dann Fendel die „Götterklasse" bauen (Apollo, Jupiter. Mars...). Das waren 700-to-Motorschiffe mit zwei MAN-Diesel von ie 250 PS bei 250 U/min. Die Motorisierung griff dann so weit um sich, dass Haniel 1929 einen Raddampfer auf Dieselantrieb mit 1000 PS umrüsten ließ. 1940 waren Selbstfahrer noch recht vereinzelt auf dem Rhein zu sehen, die Brennstoffknappheit in den Kriegszeiten zwang noch zur Nutzung der Kohle auf Dampfern und damit zur Schleppschifffahrt. Nach dem Krieg wurde dann aber um so mehr in eine neuzeitliche Rationalisierung investiert. Vorhandene Schiffe wurden motorisiert, und es wurden auch neue Motorschiffe gebaut. Dominant war auf dem Rhein die Mo-torschiffsflotte von Fendel, die Rhenus-Motore. Die Dieselmotoren hatten dann bald eine für lange Jahre bleibende Entwicklungsreife angenommen. Es gab eine Vielzahl berühmter Motor-typen wie die VM 536 und 545- Baureihe von Deutz, die GV-Baureihe von MAN, von MWM die RS-Reihe und die RH-345-Reihe, Mak Motoren der M-Reihe, Mercedes, Henschel, was es alles gab... Modag gab es auch mit vielem Leid. Und von da an gab es viel zu tun, um die Motoren in Betrieb zu halten. Da war in der Dieselgeschichte die Zeit nun reif für den Auftritt von Fritz Hemberger. Da begann er am 1. April 1958 bei der Fendel-Schifffahrts AG seine Lehre als Betriebsschlosser in Duisburg. Von da an entwickelte er seinen unbändigen Drang und daraus seine Fähigkeit, Maschinen und Motoren zu beherrschen. Da wurden die Ärmel hochgekrempelt und in die Hände gespuckt. Da begann er die Motoren schwärmerisch zu lieben, manche auch zu hassen - nein letztlich war es doch Hassliebe, die ihn zu viel Geduld und intensiver Hingabe veranlasste, wie man eben ein missratenes Kind besonders sorgfältig pflegt. Und aus all dem entwickelte Fritz Hemberger einen großen Schatz an Erfahrung im Umgang mit faszinierenden Motoren - ja, auch mit unartigen Böcken. Rund gerechnet sind es also jetzt 100 Jahre her, seit der erste Dieselmotor im Schiff seinen Dienst antrat. 100 Jahre Entwicklung und Fort-schritt. Und die Hälfte davon hat Fritz Hemberger hautnah erlebt, hat sie mit der Wartung, Pflege, Einstellung, Reparatur, mit technischen Änderungen auch mitgestaltet. Rudolf Diesel schrieb einmal die Gedanken nieder: „Die wichtigste Eigenschaft ist Energie. Wollen ist Können!" Das war auch der Schlüssel, mit dem Fritz Hemberger zu seinem großartigen Können kam. Was heute aus dem Dieselmotor von damals geworden ist wissen wir. Und in allen Etappen der Entwicklung finden wir das Bild von Fritz Hemberger so, wie es in seinem Lehrvertrag noch als Verpflichtung notiert war: .... hat seinem Vorgesetzten Gehorsam und Achtung zu erweisen, die ihm übertragenen Arbeiten gewissenhaft auszuführen und sich innerhalb und außerhalb des Betriebes anständig und ordentlich zu betragen. Wir sehen ihn im blauen Kesselpack mit breitem Ledergürtel, mit der schweren Werkzeugtasche, mit dem gepflegten Indikator, mit einer Flut von Papieren und Unterlagen auf dem Schreibtisch, mit dem ...ja zornigen Blick, wenn es nicht so lief, mit erregter Stimme wenn jemand dumm und fahrlässig Schäden verursachte, und lachend, wenn alles klappte wie es sollte, mit ausgelassener Fröhlichkeit, bei einem schönen Bier und mit einer Zigarette in Erinnerungen schwelgend bei Menne oder unter der Stinnes-Kastanie im Eisenbahnhafen oder in Linz an der Donau. Wir sehen Fritz Hemberger auch als Profi im Nachenfahren, als Brand-bildergrafiker, als engagierten Heimatkundler, wenn es um sein geliebtes Ruhrort geht. Und ich selbst habe auch noch ein persönliches Bild vor Augen, als er auf der Böschung des Eisenbahnhafens für mich zum Geburtstag Blumen pflückte.
Wer 50 Jahre lang mit Fleiß Mit Kraft, Geduld und wildem Schwung Bei Kälte, Nässe, Mondenschein Hat Schiffsmaschinen überholt Dem wird zu seinem Lob und Preis Erfahrung und Erinnerung Ein Schatz von Edelstein - Sein Werkzeug wird zu Gold. Klaus Schmitt