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© Fischer- und Schifferverein Klingenberg e.V.
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Thilos Schiffsbau
Es ist immer gut und richtig, wenn Söhne die Arbeitswelt des Vaters kennen lernen. Also durfte Thilo einmal mit nach Ruhrort fahren, in den technischen Betrieb der STINNES REEDEREI. Zunächst wurde er vermessen, verwogen, mit Schutzhelm, Schwimmweste und Gummistiefeln ausgerüstet und an Bord des Bereisungsbootes „MÖWE" eingeteilt. Kapitän Querbach tastete mit spitzem Zeigefinger und Daumen den Bizeps des Kerlchens ab und teilte Thilo zum Farbewaschen mit Putzlappen ein. Na gut, das musste ja nicht zu lange dauern, war aber nun erst mal nötig zum Angewöhnen an das Schiff, wie man sich darauf bewegt, wo und wie man sich festhalten muss, wie man gucken muss, wo man hintritt. Und zum Erfahren einer Bordordnung.
Dann wurde auch ein wichtiger Dienst an Land anhängig: angerostete Blechtafeln mit einem zu erprobenden neuen Mittel von Rostschutzöl anzumalen und nach dem Trocknen auf Wasserfestigkeit zu untersuchen. Auch das machte ja Spaß mit Klecksen und Plantschen Aber noch viel mehr Spaß gab es dann bei einer Inspektionsfahrt mit dem Boot "KRONOS" zum „EILTANK 16" in den Hafenkanal. Da gab es Probleme mit dem Innenleben des Fahrpultes, das zur Fehlersuche genau inspiziert und getestet werden musste. Anschließend war ein Besuch bei der Radar- Firma DEBEG notwendig und sehr aufschlussreich, da sich dort die unheimliche Welt der Elektronik, der Kabel, Lämpchen, Schalter, Taster, Platinen, Spulen, Dioden und Kondensatoren in wundersamer und verführerischer Weise offenbarte. Danach musste Thilo zeitweise in die Obhut von Inspektor Paul Jansen gegeben werden, der auf die glorreiche Idee kam, dem neugierigen Jungen den Speicher über dem Magazin zu zeigen. Dort wurden Dinge aufbewahrt, die schadhaft aussortiert waren, aber zu schade zum Wegwerfen. Irgendwann würde man vielleicht etwas davon brauchen können. Und da durfte Thilo schon mal alles einsammeln, was ihm besonders gefiel, was er gebrauchen konnte. Ein ganzer Weinkarton voll Kabel, Schalter, Laut-sprecher, Klingeln, Lämpchen, Telefon-hörer, das war eine wunderbare Beute.
Auf der Heimfahrt saß er dann glücklich neben seinem Schatz und meinte zu mir: „Du hast's gut, du kannst jeden Tag hier hinfahren, und ich muss in die Schule." Helle Begeisterung für Schiff und Technik hatte ihn erfasst. Am nächsten Tag fing Thilo sofort mit dem Bau eines Schiffes an. Da zeigt sich dann jedoch eine neue, eigenartige Herangehensweise an den Schiffbau. Das Wichtigste am Schiff ist nämlich der Fahrstand. Damit fängt man an. Man sucht nicht die erste Bodenplatte für die Kiellegung, man sucht ein Brett für den Fahrstand. In meiner Kellerwerkstatt findet man natürlich immer ein passendes Brett. Und dann wird gesägt, gebohrt, geschraubt, gelötet. Der wunderbare Reichtum aus der Weinkiste wird verbaut.
Stolz wird dem Vater, der dieses Pflänzchen gesät hat, dann die reife Frucht vorgeführt. „Ich habe ein Schiff gebaut! Und das funktioniert auch!" Na ja, es sieht ja alles schon perfekt aus, aber zum Funktionieren fehlt doch für diese Geräte das, was auf dem Schiff Standard ist: 24 V Gleichstrom. Aber, ich sollte das mal probieren.... nehme den Hörer vom Funkgerät ab und tatsächlich höre ich was. Unglaublich! Das kann doch nicht sein! Doch, ich konnte Stimmen hören. Was genau, weiß ich nicht mehr. Aber es funktionierte tatsächlich. Da hatte der Schlingel hinter dem Brett einen Anschluss von dem Hörer zu einem Kassettenrecorder hergestellt. Man fasst es nicht. Das, was auf einem neuen Schiff normalerweise als Letztes funktioniert, die Elektrik, das war hier im Vordergrund erst schon mal in Gang gebracht. Der Rest von Schiffbau war ja dann nur noch ein Klacks.
Was für ein Glück, dass Thilo die Vorgehensweise in dieser Weise erkannt, weiter geübt und perfektioniert hat bis hin zu akrobatischen Fertigkeiten. Sonst wäre doch mein Internetdampfer schon mehrmals kläglich abgesoffen.