© Fischer- und Schifferverein Klingenberg e.V. 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  
 
 
 
  
Wieso: Vor Anker und wieso: Das Anker?
 
 
  
Wenn man einmal genauer 
  darüber nachdenkt ... 
  ... da liegt ein Schiff vor 
  Anker. Vor Anker? Wieso 
  „vor" Anker. Es liegt doch 
  dahinter.
  Liegt ein Schiff vor Anker, 
  dann hat es seine 
  selbständige Bewegung 
  aufgegeben. Es wird nur noch von äußeren Kräften beeinflusst, die sich 
  über das Schiff an der Ankerkette austoben. Das kann der Wind sein, der 
  Strom im Wasser oder beides, oder beides mit unterschiedlicher 
  Anstrengung. Das Schiff freut sich darüber und reagiert mit schwingenden 
  Bewegungen.
  Es „schwoit". Vor Anker. Obwohl - wenn man es mit der Richtung der 
  wirksamen Kräfte sieht - liegt es dabei immer hinter dem Anker.
  Wie kommt das? Wieso wendet man da eine „falsche" Präposition 
  an? Interessante Frage. Man muss sich also mal in etymologische
  Gefilde hineinwagen. Woher kommt es? Wie sagen es denn die 
  Anderen?
  Ursprünglich diente bei den Wikingerschiffen ein schwerer Stein mit einem 
  Loch zum Durchziehen des Ankertaus als Anker. Der nannte sich im 
  Althochdeutschen senchil = mhd senkel. Als die Germanen durch die 
  Römer am Niederrhein und an der Nordsee den zweiarmigen Schiffsanker 
  kennenlernten, übernahmen sie mit dem Gerät auch dessen Namen. Daraus 
  entstanden die germanischen Bezeichnungen des Gerätes ahd. anchar = lat. 
  Ancora, mhd., spätahd. anker, niederl. anker, engl. anchor, schwed. 
  Ankare, altnordisch akkeri, irisch accaire, altschwedisch akkceri, 
  ankare, angelsächsisch ancor. Selbst die Polen nennen es ankra, die 
  Russen aber Jakori.
 
 
  
Dieser Anker bestand aus einem Schaft mit 
  zwei Ankerflunken und einem rechtwinklig zu 
  diesen eingefügten hölzernen Ankerstock. 
  Dieser war beim Gokstad Schiff aus Eiche und 
  2,75 m lang. Das obere Ende des Ankers hatte 
  ein Ohr, das einen Ring hielt, durch den das 
  Ankertau oder eine Kette gezogen wurde. Am 
  unteren Ende befand sich ein festes Auge, an 
  dem ein Tau mit einer Boje festgemacht wurde, 
  der die Lage des Ankers an der 
 
 
  
Wasseroberfläche markierte. Dieses Tau diente auch dazu, im Falle des 
  Reißens des Ankertaus, den Anker zu bergen. Auch wurde damit der Anker 
  vom Grunde gelöst, wenn man das Schiff nicht am Ankertau über die 
  Position des Ankers ziehen konnte. Am Rhein hatte man das am 
  Stockanker und nannte es Öhringskette.
  Aber nun zum „Vorankerliegen".
  Wie sagen es z.B. die nordischen Seefahrernationen?
  Die Schweden sagen för ankare, das ist also das Gleiche. Die Dänen sagen 
  das so ähnlich, die alten Wikinger, also die heutigen Norweger, haben das 
  vor nicht so in dem Begriff, da ist es eher ein auf, also heißt es dort 
  ankreopp.
  Der Isländer sagt: ad liggja vid akkeri, da steckt an, bei drin. Und schon 
  sind wir bei den Engländern. Auf Englisch hört sich's noch deutlicher an: 
  Stay at anchor oder auch sitting idle = untätig herumsitzen, müssig, 
  inaktiv. Das at kennt man von den Mailadressen her, @. In dem at steckt 
  alles drin, von an, bei, in, um, auf, im, über, zu bis hin zu zu je, als 
  Stückpreisangabe. Nur vor ist nicht dabei.
 
 
  
Auch der Hollander sagt 
  voor anker. Doch a kann 
  man eben auch mal
  etwas abschweifen, da ist 
  noch eine Besonderheit zum 
  Anker anzumer-
  ken.
   
 
 
  
Der Holländer hat schon so einiges geprägt in der Schifffahrt.
  Er sagt ja auch het anker, woraus der rheinische Schiffer das Anker
  statt der Anker macht.
  Seltsamerweise sagt er auch „de" boot, was der rheinische Schiffer immer
  wie der Holländer ausspricht und zu die Boot macht.
  Da ist auch ein Unterschied, das Boot ist was Kleines,
  was Putziges, außer wenn es ein U-Boot ist. Aber die Boot, das ist ein
  ordentlicher Schlepper. Das gilt für die Räderboot wie für die Hafen-
  boot und auch die Seeboot. Seeschiff, oder Dampfer sagt man nicht.
  Also, der Holländer hat wohl Probleme mit dem Geschlecht.
  Der Franzose muss es anders haben. Er hat eine andere Wendung für vor 
  Anker liegen, betrachtet die Situation von außen und vermeidet eine 
  Präposition: Bateau lorsqu'il est stationné / bateau en 
  stationnement/bateau au mouillage (da steckt also noch die Mole drin). 
  Man sagt auch bateau amarré. Bei uns gibt es noch den Begriff, ein Schiff 
  zu mehren, in der Seefahrt ist das mooren, d. h. fest machen mit Tauen 
  oder
  Drähten.
  Nun könnte man vermuten, dass die Mediterraner es von den alten 
  Römern gelernt haben. Die Römer nutzten ja schon den
  Begriff Anker. Die alten Lateiner sagten: consistere ad ancoras - vor 
  Anker liegen, sich niederlassen, still stehen. Man sieht, die
  Römer waren auch mal in England und haben dort das ad = at (zu, bei, 
  an) hinterlassen. Interessant ist auch, dass bei den Römern der Anker 
  weiblich ist.
 
 
  
Der Italiener hat den Wortstamm 
  ancora auch sinngemäß über-
  nommen: La nave è ancorata 
  (verankert, gebunden). Etwas 
  allgemeiner abersinngemäß vor 
  Anker liegend: La nave 
  è ormeggiata (befestigt). Ein 
  Schiff kann man mit verschiedenen ormeggi (Ausrüstungen) befestigen,
  z. B. mit: Anker = ancora; Tau = fune; Ringe = anelli. Auf vor oder 
  hinter dem Anker geht er der Einfachheit halber nicht ein.
  Anders hingegen auf der iberischen Halbinsel. Da hat man eine ganz
  andere Ausdrucksweise, man hat da vor allem den Ankergrund im
  Sinn. So sagt der Spanier: está fondeado, der Portugiese sagt: navios
  fundeados. Also von fundeare, vor Anker liegen. Da steckt der Begriff
  fundar = gründen (fundamentieren) drin. Vielleicht liegt diese Be-
  trachtungsweise daran, dass Spanien und Portugal lange Zeit von den
  Mauren beherrscht waren. Allerdings Anker heißt auf arabisch      
  ausgesprochen anke/?anke/ also irgendwie auch Anker,
  woher der Araber das auch haben mag.
  Erfunden hat der Römer den Anker ja nicht. Er hat ihn übernommen von 
  den Griechen, wobei man nicht genau weiß, von welchen Griechen. Dem 
  Plinius zur Folge hat Anacharsis, ein Scythe, die Anker mit Widerhaken 
  erfunden. Der Name des  Gerätes hat wohl dabei den Begriff für 
  Krümmung, das Gebogene, das Gewinkelte enthalten. Die Sprache der 
  Skythen war
 
 
 
  
indogermanisch. Da kann man an Anke, Angel, Haken, Nacken denken. 
  Auch an Anger (eigentlich Biegung, Bucht, Tal). In anderen 
  indogermanischen Sprachen gibt es die Wurzel ank-, ang-, = biegen, 
  krümmen.
  Der Grieche, sagt zu vor Anker gehen/liegen: apáÇw oder aykupa (tja, wie 
  spricht man das aus? Aber wie man sieht, ist da Anker drin.) Die Römer 
  ihrerseits übernahmen den zwei- oder dreiarmigen Schiffsanker von den 
  Griechen und entlehnten damit die griechische
  Bezeichnung ágkyra
 
 
  Zurück zum „Vor Anker liegen".
  Dazu googelt Andreas:
  Die „Verwirrung" mit dem „vor" rührt wahrscheinlich daher, dass wir 
  „vor" heute mehr oder weniger ausschließlich mit „vorn" in 
  Zusammenhang bringen (wenn wir die zeitliche Bedeutung jetzt mal 
  ganz beiseite lassen, i. S. von „vorher /nachher", die es ja auch noch gibt).
  „Vor" bedeutete aber auch mal - ganz allgemein - „gegenüber", auch „in 
  Gegenwart" usw. z.B. „vor Gericht", auch „vor Ort sein". Das heißt 
  auch nicht: „ich bin räumlich vor (oder hinter) dem Ort, sondern es 
  bedeutet vielmehr: „Ich bin direkt am Ort."
  Die Brüder Grimm führen in ihrer endlosen Beispielliste zum Wörtchen 
  „vor" auch unter „andere Anwendungen" unser „vor Anker liegen" an. 
  In dieser Bedeutung der Präposition „vor" bedeutet es also „dem Anker 
  gegenüber" (und nicht vor oder hinter dem Anker).
  Wozu echt gute, alte Bücher aus Papier und Pergament noch gut sein 
  können ...
  Quellen: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen und Grimm'sches 
  Wörterbuch, Band 26
  Jetzt wo wir wissen, warum es so ist, können wir auch alles so lassen wie 
  es ist. Wenn man ein gutes Brauhaus oder eine Häckerwirtschaft findet, 
  kann man auch dort vor Anker gehen und bei sitting idle darüber 
  nachdenken, was daran so falsch sein soll, dass die barbarischen Scythen 
  den Wein ungezügelt ohne Wasser getrunken haben. Sie hatten doch gute 
  Anker.
  Und wir wissen: Auf, an, vor, hinter, bei, gegenüber zwei Ankern liegt 
  ein Schiff sicherer als vor einem.
  Engl.: Good riding at two anchors, men have told, for if one break 
  the other may hold. Lat.: Ancoris duabus niti bonum est.
  Eine Besonderheit gibt es noch:
  So ist das Scythische auch in den Hochspessart gekommen. Dort kennt 
  man noch den Begriff Anke. Wenn z. B. ein Lehrling nicht richtig spurte 
  oder frech war, hieß es: „Ich haach der gleich ee in de Anke." Gemeint ist 
  der Nacken, das Genick.
 
 
  Auf Reede am Duisburg-Laarer Rheinufer, Schleppkahn 
  mit aufgezogenem Stockanker.
  Römischer Stockanker
  Es handelt sich um einen klassischen Gewichtsanker, 
  besonders bei älteren Schiffen. Er hält etwa das 10-
  fache seines Eigengewichts. Nur eine der Flunken kann 
  sich eingraben.
  Weiterhin muss vor Einsatz des Ankers zuerst der 
  Stock angebracht werden. Stockanker halten gut auf 
  steinigem, tonigem und verkrauteten Untergrund.
  Vierflunkenanker • Außenexponat
  des Museums am Ruhrorter Leinpfad
  Rekonstruktion eines römischen Bleiankers
  Suchanker der Fendel 147
  auf dem Museumschiff an der Schifferbörse
  Ankermodell als Wandschmuck
  Klippanker der Firma HADU
  Der Danforth-Anker ist ein Leichtgewichtsanker, der je 
  nach Untergrund das 3- bis 300-fache Gewicht eines 
  Stockankers gleichen Gewichts zu halten vermag. 
  Optimal halten Klippanker in Schlick und Tonmergel, 
  weniger gut in verkrautetem
  Boden.
  Antike Darstellungen von Ankern und diversen 
  schifffahrtstechnischen Geräten.
  »Der Ancker-Schmid«
  zeitgenössische Darstellung des hochangesehenen 
  Berufs.
  Freund un Ancke kennet man, wann sie hülff in Noth 
  gethan.
  Die Welt mag Hoffnungs-Ancker
  schmieden,
  zu Sachen, die man wünscht in ihr:
  Sie brechen in dem Glücks-Unfrieden! den Glaubens-
  Anckers wehl ich mir, den senck ich Jesus Wunden ein, 
  so ist Grund der Himmel mein.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  Text: Klaus Schmitt 2016 ® Abbildungen: ©Museum der Deutschen 
  Binnenschifffahrt • Apostelstraße 84 • 47119 Duisburg
  Das Bildmaterial wurde freundlicherweise vom Museum der 
  Deutschen Binnenschifffahrt zur Verfügung gestellt.